Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

CIA, CSU, SPD, WAZ, BVG und obendrein auch noch Helmut Schmidt - das ganze Paket des Irrsinns.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Mit Heesters und Schmidt werden zwei Raucher zusammen 195.

Was wird besser in dieser?

Wenn ich nicht wieder anfange, schaffe ich 195 also allein.

Erneut heißt es aus US-Militärkreisen, deutsche Agenten hätten aus Bagdad "extrem wertvolle" Informationen für den Irakkrieg geliefert. Haben die das wirklich nötig?

Als die SPD Herrn Beck opferte, um Steinmeier knapp vor Steinbrück ans Ziel zu lassen, der auf jeden Fall Wowereit verhindert … na ja. Da wussten sie, dass gegebenenfalls der CIA mit ein paar Portionen Geheimdienst-Giftmüll die Bundestagswahl entscheidet. Steinmeier hat die ersten Affären um Überflüge, Folterbeihilfe und Guantánamo-Kumpanei mehr durch schieren Überlebenswillen gemeistert. Offenbar können die Amis jederzeit ein weiteres Kampfkaninchen aus dem Helm zaubern. Dass im Krieg als Erstes die Wahrheit stirbt, gilt, vermutlich völlig überraschend für unsere entfesselten Menschenrechtskrieger, auch für deutsche Kampfeinsätze.

Apropos Finanzkrise: Wieso fordern neuerdings immer mehr Politiker, man müsse Geld "in die Hand nehmen"?

Weil sie das komplizierte "Geldmenge 3"-Vokabular wahlweise nicht verstanden haben oder für nicht zumutbar halten.

Helmut Schmidt auf allen Kanälen (und Titelseiten). Woran liegts? Und wie können wir uns wappnen?

Ich staune auch! Immerhin hat er mit Wehner, dem Radikalenerlass, dem Doppelbeschluss und der bedingungslosen Wachstumsorientierung der Wirtschaftspolitik: die Grünen mitgegründet! Wo Brandt den langen Weg vieler 68er noch durch die Instanz SPD zu leiten verstand, machten Schmidt und Wehner die Jusos zu einem Platz, wo man nicht denken durfte. Schließlich hatte die CSU in Bayern den ersten Umweltminister, während die Schmidt-SPD auf rauchende Schlote setzte. Also, gegen die Schmidt-Verherrlichung hilft nüchterne Geschichtsbetrachtung. Und der umgekehrte Fall - autoritäre Wehrmachtsoffiziere als Kanzler und Frau Merkel als TV-Ikone - wäre ja nicht besser.

Apropos Schmidt, in der Zeit schreibt Josef Joffe: "Die Griechen sind Türken, die sich für Italiener halten." Sind am Ende vielleicht die Deutschen Polen, die sich für Briten halten?

Oder die Zeit ist Alete für die Elite? Das Zitat könnte ganz schön gaga ein, wenn man Helmut Kohls nicht unverbreitete Sicht zugrunde legt, "die Türkei gehört nicht zu Europa". Dann wäre Griechenland jetzt auch raus, allerdings als letztes christliches Bollwerk wieder drin und insgesamt der Italiener zu Recht beleidigt. Sollte hier die Türkei als Synonym und Hort uneuropäischer Minderzivilisierung eingeführt werden, wäre die Zeit in dem Falle auch eher ne Bild, die sich für die NZZ hält. In der gleichen Ausgabe der Zeit darf eine Gruppe wohlerzogener Abiturienten Herrn Schmidt Stichworte geben. Man träumt vieltausendscheitelige Umzüge in akkuraten Viererreihen durch Athen, skandierend "Wir sind die Jugend, randvoll Sekundärtugend!".

Das Bundesverfassungsgericht hat die Kürzung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt. Der Staat muss nun kräftig zahlen. Ein Erfolg für die CSU?

Dem Staat ist jede Ausrede recht, Kaufkraft unter diejenigen zu jubeln, denen er es gestern noch abgeknöpft hat. Das BVG-Urteil sagt, man dürfe die Pendlerpauschale nicht willkürlich kürzen. Ein Erfolg für die CSU wäre es also, den fast diametralen Ansatz durchzubringen: Je weniger ein Pendler fährt, desto eher genießt er Steuervorteile. Dass es weniger gäbe, je weiter Beschäftigte pendeln, wäre vermittelbar, dann kann man nämlich zur Arbeitsstelle auch gleich hinziehen.

In Athen herrschen Chaos und Zerstörung, weil ein 15-Jähriger von der Polizei erschossen wurde. Wird die autonome Szene unterschätzt?

Ja, von mir. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung vom Allermeisten, was ich jetzt in profunden Korrespondenten-Stücken zu lesen bekomme.

Der Kölner "Kofferbomber" erhält "lebenslänglich". Wem nützt die Einschätzung der "Bedrohungslage" in Deutschland?

Schäuble.

Ist Angela Merkels Wende hin zur Wirtschaftsfreundlichkeit verständlich?

Nee, Angela Merkel schmeißt die Chance weg, die europäische Industrie in die Zukunft zu zwingen, und sie lässt sich dabei von einem ökologisch wenig profilierten Sarkozy vorführen. Merkels ökologische Musterschule bestand zur Hälfte aus dem Bonus der DDR-Stilllegung und zur anderen Hälfte aus der Hoffnung, dass sie nie jemand beim Wort nehmen würde.

Und was machen die Borussen in der Winterpause ?

Verabschieden sich mit dem Gladbach-Spiel von Westfälische Rundschau-Sportchef Wilfried Wittke, der in Pension geht. Nach den angekündigten Stellenstreichungen der WAZ-Gruppe kann das ein Vorgeschmack darauf sein, wie es ist, wenn die ganze WR verschwindet. FRA, ANK

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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