Mehr Sträuße als Vasen

Ein Zeuge im Pirate-Bay-Prozess wünschte sich Blumen. Und die Internet-Community nahm die Bestellung auf

Prozess gegen die Filesharing-Website „Pirate Bay“, Stockholm, Donnerstagnachmittag. „Bekommen Sie Zeugengeld?“, fragt der Vorsitzende Richter den Medienprofessor Roger Wallis nach seiner dreistündigen Vernehmung. „Nein“, antwortet der, „schicken Sie lieber einen Blumenstrauß an meine Frau Görel.“ Mit der begehe er am Freitag den 38. Hochzeitstag.

Das Gericht schickte keine Blumen. Doch zu Hause im Vorort Lidingö war schon das erste Bukett abgeliefert worden, noch bevor der Professor wieder nach Hause kam. Mit einer Karte: „Danke Görel, dass wir deinen Professor ausleihen durften.“ Als Blumenhändler Krister Skald gegen 20 Uhr mit der letzten Lieferung für diesen Tag, weiteren 33 Blumensträußen, klingelte, waren dem Ehepaar Wallis bereits lange die Vasen ausgegangen. Über 100 Bestellungen mit immer derselben Adresse hatte der lokale Blumenladen Gullvivan da ausgeliefert.

Live bloggende ZuhörerInnen im Gerichtssaal hatten den Blumenwunsch von Roger Wallis in der Internet-Community, die den Prozess aufmerksam verfolgt, verbreitet. Worauf es nicht nur aus Schweden Blumenbestellungen hagelte. Der emeritierte Medienprofessor war im Prozess von den Vertretern der Musikbranche unfair in die Mangel genommen worden. Seine Kompetenz und sogar sein Professorentitel wurden angezweifelt. Was das umfassende Echo auf seinen Blumenwunsch wohl zusätzlich erklärt. Wallis hat Studien veröffentlicht, in denen er die Ansicht vertritt, dass Filesharing der Film- und Musikbranche nicht schadet, sondern im Gegenteil nutzt. Und er war damit einer der zentralen Zeugen von „Pirate Bay“. Umso glaubwürdiger, als er das Urheberrecht verteidigt, 15 Jahre lang im Vorstand von STIM, der schwedischen Entsprechung der deutschen Gema, saß und selbst Komponist ist.

Am Freitag baten die Eheleute Wallis die Medien, sie bitte erst einmal in Ruhe ihren Hochzeitstag feiern zu lassen. Die nun auf mehrere hundert Sträuße gewachsene Blumenschwemme wollen sie mit den BewohnerInnen eines Seniorenheims teilen. Mittlerweile gibt es eine Facebook-Gruppe „Roger Wallis for President“, eine Internetseite „Wir, die Wallis danken wollen“ und die Aufforderung, statt Blumen vielleicht lieber Schokolade, Teddys oder ähnliche kleine Aufmerksamkeiten zu schicken.

REINHARD WOLFF