Pro und Contra Abwrackprämie: Die Posse um die Karosse

Bislang sind Hartz-IV-Empfänger bei der Abwrackprämie ausgeschlossen. Neuwagen gibt es für sie nicht, sondern höchstens gebrauchte. Muss sich das schleunigst ändern?

Hartz IV-Empfänger dürfen nur von weitem zuschauen. Bild: dpa

PRO ABWRACKPRÄMIE

VON BARBARA DRIBBUSCH

Das Thema sagt etwas aus über die Stimmung im Land und stand am Freitag im Bundestag auf der Tagesordnung. Hartz-IV-Empfänger, die ihr Altauto verschrotten, können die 2.500 Euro Prämie vom Staat nicht kassieren, wenn sie ein neues Auto kaufen. Das Jobcenter nämlich rechnet diese 2.500 Euro als "Einkommen" an und kürzt den Regelsatz des Arbeitslosengeldes II entsprechend.

Nun äußern selbst Sozialrichter die Meinung, die 2.500 Euro seien "zweckbestimmtes Einkommen" und damit so wenig anzurechnen wie etwa das Geldgeschenk zur Konfirmation in einer Hartz-IV-Familie. Aber klare Urteile dazu gibt es noch nicht. Und zu einer Gesetzesänderung, wie sie auch einzelne SPD-Politiker befürworten, wird es wegen des Widerstandes der Union wohl nicht kommen.

Womit man bei der gesellschaftlichen Frage angelangt ist. Ist das denn nicht unverschämter Luxus, wenn sich Hartz-IV-Empfänger nun auch noch einen subventionierten Neuwagen kaufen können? Laut Rechtsprechung dürfen die Bezieher vom ALG II allerdings Autos bis zum Wert von 7.500 Euro besitzen. Und zudem frei verfügbares Vermögen in Höhe von 150 Euro pro Lebensjahr. Eine 50-Jährige, die 6.000 Euro auf dem Konto und ein Altauto auf der Straße stehen hat, könnte sich also einen neuen Dacia für 7.500 Euro kaufen und davon nur 5.000 Euro bezahlen - wenn sie denn die Abwrackprämie bekäme. Angenommen, die Frau lebt auf dem Land und braucht ein Auto: Was wäre so verwerflich daran, auch sie - und andere Sozialleistungsempfänger - vom staatlichen Rabatt profitieren zu lassen?

Das quasi erzieherische Argument sieht nun so aus, dass der Staat es nicht auch noch fördern solle, dass Hartz-IV-Empfänger ihr Minivermögen für neue Autos verpulvern. Doch so zu argumentieren ist demütigender Paternalismus. Denn selbstverständlich haben auch Sozialleistungsempfänger ein Recht, darüber zu entscheiden, wie sie konsumieren.

Der Verdacht kommt auf, der Staat wolle ihnen die Möglichkeit des Autorabatts nicht einräumen, um die Vorurteile über das angebliche Konsumverhalten von Hartz-IV-Empfängern nicht zu schüren. Die verpulvern ihr Geld ja angeblich für Flachbildschirme, Handys und Playstations, statt sich gesund zu ernähren. Es gibt Fälle, wo das vielleicht sogar stimmt. Aber daran darf sich Politik nun mal nicht orientieren.

CONTRA ABWRACKPRÄMIE

VON RALPH BOLLMANN

Manchmal braucht es den Blick auf ein kleines Detail, um den Unsinn des Ganzen zu verstehen. So geht es auch mit der Debatte um die Abwrackprämie im Allgemeinen und die Hartz-IV-Empfänger im Speziellen. An der staatlichen Zulage konnte man schon von Beginn an zweifeln. Schlagend bestätigt werden die Bedenken aber durch die absurde Diskussion, ob der Anreiz zur ökonomischen Unvernunft nun auch Hartz-IV-Empfänger ins Verderben stürzen soll. Als ob sich im Land der Autofanatiker nicht schon genügend Kleinverdiener mit dem Kauf eines neuen Gefährts ruinierten, soll der Staat jetzt selbst die finanziell Bedürftigsten zu dieser bizarren Form der Selbstschädigung animieren.

Mühsam hatten die Deutschen im Lauf der Jahre und Jahrzehnte endlich gelernt, dass der Kauf eines Neuwagens ökonomischer Unsinn sei. Niemals ist der Wertverlust höher als in den ersten Jahren, ein Umstand, der auch durch den höheren Reparaturbedarf eines Gebrauchten nicht ausgeglichen wird. Bereits vor Beginn der großen Krise wurden fabrikneue Fahrzeuge großteils an Autovermietungen oder als steuerbegünstigte Dienstwagen verkauft, meist mit hohen Rabatten. Privatleute erwarben sie dann erst aus zweiter Hand - auch dies ein Grund, warum die Halden vor den Werkstoren ständig wuchsen.

Fast über Nacht hat die Abwrackprämie diesen Lernerfolg zunichtegemacht. Das entspricht ebenfalls hiesiger Tradition. Sobald Staatsknete winkt, schaltet der Deutsche sein Großhirn ab und gibt sich nur noch den Instinkten hin. Völlig unrentable Lebensversicherungen werden abgeschlossen, weil es einen kleinen Steuervorteil bringt, Gelder in kaum attraktivere Bausparverträge geschoben, weil der Staat ein paar Euro Zulage bezahlt. Haushalte überschuldeten sich mit Krediten in sechsstelliger Höhe, nur weil es ein paar tausend Euro an Eigenheimzulage gab.

Nach den Wünschen von Linkspartei und Teilen der Sozialdemokratie sollen nun also auch Empfänger von Arbeitslosengeld II dazu gebracht werden, das für die Altersvorsorge bestimmte Schonvermögen restlos für den Kauf eines Neuwagens zu opfern. Ein Kleinwagen zur Absicherung des Lebendsabends? Davon profitiert am Ende nur die Autoindustrie. Wenn der Staat das fördert hätte, wäre er nicht anders als jene Bankberater gewesen, die Kleinsparern riskante Zertifikate aufschwatzten.

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