Ortstermin Videospielmesse in L.A.: Daddeln für alle

Mit hoher Promidichte zeigt die Videospielbranche auf einer Messe in Los Angeles, dass sie auf dem besten Wege ist, erwachsen zu werden

Auch wenn Ringo Starr findet, dass er im Spiel ganz schön eckig läuft: Das Spiel selbst ist eine runde Sache: Die Beatles als Androiden im Spiel "Rockband". Bild: thebeatlesrockband.com

"Schau, sie haben Androiden aus uns gemacht!" Der Alt-Beatle Paul McCartney steht auf der Bühne des Galen Center in Los Angeles, kaut Kaugummi und reißt gemeinsam mit Ringo Starr ein paar Witze. Kurz zuvor standen Yoko Ono und Olivia Harrison auf derselben Bühne und winkten einmal in die Runde. Sie alle machen Werbung für ein Videospiel über die Beatles.

Etwas später macht Regisseur Steven Spielberg am selben Ort einen Sprung aus den sechziger Jahren direkt in die Zukunft. Er stellt eine Technik vor, die es ermöglicht, Videospiele ohne Knöpfe zu steuern, nur mit Stimme, Mimik und Körpereinsatz. Eine Technik, die direkt seinem Film "Minority Report" entsprungen sein könnte. Hier aber wird Science Fiction tatsächlich vorgeführt. Und sie funktioniert. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Popkultur liegen enger beieinander, als man glaubt. Sie begegnen sich für die Dauer von vier Tagen in Los Angeles. Auf der E3, der Electronic Entertainment Expo, der bedeutendsten Videospielemesse der Welt. Regisseure wie Spielberg oder James Cameron berichten begeistert von neuen Projekten.

Sie beschränken sich nicht mehr nur auf Filme, sondern wollen auch Videospiele machen. Das Fußballidol Pele und Tennisaltstar Pete Sampras stellen Sportspiele vor. Abends geben mit Eminem und Jay-Z zwei der bekanntesten Hip-Hop-Stars ein Konzert, um ein Videospiel zu bewerben. Die E3 ist ein wichtiger Gradmesser für den Zustand einer Branche, die sich als Zukunft der Unterhaltungsindustrie sieht. Schien es vor einiger Zeit noch so, als ob die Videospielhersteller um die Gunst der Stars betteln müssen, so wirkt es inzwischen umgekehrt. Jeder Star, der etwas auf sich hält, will mit Videospielen assoziiert werden. Auch weil sich damit viel Geld verdienen lässt. Denn der Branche ging es selten so gut wie heute.

In den USA haben die Firmen mit Spielen mehr Geld umgesetzt als Musikindustrie und Kinos gemeinsam, mehr als der Heimvideomarkt. 11,7 Milliarden Dollar sind es, sagt der Branchenverband ESA. In Europa sieht es kaum anders aus. Mit den Zahlen wehrt sich die Branche auch dagegen, als Daddelindustrie verschrien zu sein, als minderwertige Kultur. Dabei muss sich die Industrie nicht mehr schämen. Sicher, es gibt die Actionspiele, die Ballerspiele - und die nehmen auf der Messe einen großen Platz ein, sie sind laut und aggressiv. Doch viele von ihnen versuchen, nicht nur lautes Geballer zu veranstalten, sondern auch intelligente Geschichten zu erzählen oder zumindest ganz platte Ideen zu vermeiden.

Interessant ist aber vor allem, was sich zwischen den Klischees versteckt. Spiele wie das für Ende des Jahres angekündigte "Heavy Rain", das auf neue Art eher interaktiver Film als herkömmliches Videospiel ist. Das japanische Märchen "The Last Guardian", das schon in einer ersten Vorschau anrührt. Oder "Milo". Ein Spiel, das noch kein Spiel ist, sondern eine Demonstration dessen, was mit einer neuen Technologie möglich sein wird: Die freie Interaktion mit einer Spielfigur, hier ist es der kleine Junge Milo, der auf die Stimme des Spielers reagiert, ihm antwortet und hinterherschaut. Und das alles ohne dass der Spieler noch ein Steuergerät in der Hand halten muss. Er nutzt nur noch die von Spielberg vorgestellte Technik. Kann alles mit Stimme, Gestik und Mimik steuern.

Es gibt die Fitnessspiele, die Familienspiele und die Kinderspiele. Es gibt tief gehende unabhängige Produktionen und die auf Hochglanz getrimmten Blockbuster. Und so langsam wächst die Erkenntnis, dass alles ein Teil der Spielewelt ist. Genau so, wie es im Film Komödien und Actionstreifen gibt. Videospiele haben gelernt, sich an verschiedene Zielgruppen zu wenden, nicht nur die herkömmlichen Spieler, im Branchensprech Hardcore-Gamer genannt.

Manchmal auch wenden sie sich doch an alle: Wie "Rockband: The Beatles", das der Anlass des Beatles-Besuches ist. Denn das können nicht einmal Rolling Stones-Fans ablehnen. Es erzählt die Geschichte der Beatles in kleinen Trickfilmen und lässt Spieler die bekanntesten Songs auf Plastikinstrumenten nachspielen. Und ist damit ein schöner Beweis dafür, wie sich die verschiedenen Medien gegenseitig befruchten und inspirieren können.

Auch wenn Ringo Starr findet, dass er im Spiel ganz schön eckig läuft: Das Spiel selbst ist eine runde Sache.

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