Es war einmal

INNENSTÄDTE Karstadt ist in die Insolvenz gegangen, die Fußgängerzonen werden jetzt noch öder. Ist nun nicht nur die Einkaufs-, sondern auch die Erlebniswelt in Gefahr?

„Das Warenhaus war mal der Magnet der Innenstadt“, sagt Thomas Krüger, Professor für Stadtplanung

VON NATALIE TENBERG

Früher war die Fußgängerzone ein Problem, heute hat sie eins – nämlich Karstadt. Die Warenhauskette steht unter Insolvenzverwaltung. Die Mitarbeiter bringen ihre berechtigte Frustration mit Plakaten zum Ausdruck, die in bester Konzern-Katalogschrift zeigen, was auf dem Spiel stehen soll: die Innenstadt. Sie könnte, so die Befürchtung, ohne Karstadt total veröden. Dabei bedeutet eine Insolvenz nicht die sofortige Schließung aller Geschäfte, und alleine deswegen schon ist die Angst um den angeblichen Publikumsmagneten überflüssig. Nach stadtplanerischer Theorie kann man ein Warenhaus als Anziehungspunkt betrachten. Doch haltbar ist dieser sogenannte Urbanitätseffekt nicht mehr.

Denn wer sich umsieht, der wird feststellen, dass die meisten aller mit Fußgängerzonen beglückten Innenstädte jetzt schon öde sind wie das Testbild im TV. Zwischen den Diskussionen über Blumenkübel und Laternengestaltung wurde vergessen, dass niemand wegen eines hübschen Brunnens Zeit in seinem Stadtzentrum verbringt, es sollte darüber mehr zu bieten haben.

Falsch geplant

„Das Warenhaus war das Magnet der Innenstadt“, gibt Thomas Krüger, Professor für Stadtplanung in Hamburg, zu bedenken, „ist es aber nicht mehr.“ Und auch für Martin Schmitz, Verleger und Promenadologe, ist der Fall Karstadt eine Krise der Stadtmitte, in der es überall das Gleiche zu kaufen gibt. „Man muss sowieso über ihre Stadtstruktur nachdenken“, sagt er, schließlich sei das Zentrum aus der Wahrnehmung der Bewohner größtenteils verschwunden. „Diese Funktionsstörung ist durch das Auto entstanden.“

Vor etwa 40 Jahren nämlich sorgte die Motorisierung der Gesellschaft dafür, dass eine größere räumliche Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort entstand. Dieser empfundene Fortschritt wurde durch die Schaffung von Fußgängerzonen zementiert, eine Maßnahme, die rasch dafür sorgte, dass sich die Menschen nach Ladenschluss lieber nicht in der Innenstadt aufhielten.

Dieser planerische Missstand wurde noch durch die Kurzsichtigkeit vieler Lokalpolitiker verschlimmert, die fleißig am Stadtrand bauen ließen. Gleichzeitig eröffneten in den letzten zehn bis 15 Jahren in den Städten Shopping Center, die einem klassischen Warenhaus auch die Käufer streitig machen. Ein Versäumnis der Politik, findet auch Thomas Krüger. „Die Bürgermeister haben nicht viel für die Innenstädte getan.“ Die waren der Trendwende gefolgt, ohne die langfristigen Folgen für ihre Gemeinde zu bedenken. Inzwischen wird aus manch einem Stadtrat hinter vorgehaltener Hand berichtet, man habe die Innenstadt sowieso längst aufgegeben. Die Bürger, die sich nun schwer bestürzt über den Fall von Karstadt geben, sollten sich fragen, ob sie nicht auch daran Schuld tragen. Nicht allein durch ihre geänderten Shopping-Gewohnheiten, sondern vor allem, weil sie oft gedankenverloren alle fünf Jahre den gleichen Lokalfilz wiederwählten. Als ob die Zustände jetzt erst deutlich geworden wären.

Neben den vielen Dingen, die man der Firma Karstadt vorwerfen kann, gehört auch, dass sie sich auch nicht um die Innenstädte kümmerte. Im Gegenteil: Die Deals um die Immobilien hat auch dazu beigetragen, das Umfeld zu zerstören.

Noch verschwinden die Karstadt-Filialen nicht, und die, die Magneten sind, werden bleiben. Wer hat wirklich noch Spaß an dieser Form des Einkaufens? Heute hat die Fußgängerzone als Anlaufpunkt für die Freizeitgestaltung sowieso ausgedient. Nicht nur wegen der großen Konkurrenz am Stadtrand. Um Freunde zu treffen, geht man heute ins Internet, und das Fernsehprogramm hat seit der Erschaffung der Flaniermeile auch ein paar Kanäle mehr gekriegt. Für die Städte, in denen Karstadt-Häuser schließen werden, bedeutet das tatsächlich eine Qualitätseinbuße. Auf ohnehin ziemlich geringem Niveau.