Bis er bricht

Ein 4.500 Jahre alter Goldkrug hat einen Streit zwischen Zoll, Museum und dem Irak entfacht

In Michael Müller-Karpes Stimme schwingt Verzweiflung mit: „Wir können es nicht herausgeben! Das geht nicht!“ Er will, wird und kann den Tresor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz nicht freiwillig öffnen. Auch nicht für die Zollfahndung aus Stuttgart. Die hat angekündigt, sie werde notfalls mit einem Schweißbrenner ihres Amtes walten.

Im Safe liegt ein Schatz, winzig klein und goldglänzend. Nur 3,5 Zentimeter hoch ist das Krüglein, es passt leicht in die hohle Hand, ist laut Museum 4.500 Jahre alt und stammt aus der Kultur der Sumerer. Experte Müller-Karpe ist fest davon überzeugt, dass das Gefäß aus einer Raubgrabung im Irak kommt und illegal in die Bundesrepublik gelangte. Zweimal hat die Zollfahndung ihr angekündigtes Erscheinen bisher verschoben, will aber in der Sache hart bleiben. „Das“, so Müller-Karpe, „wäre eine Tragödie: Das hat es noch nie gegeben, dass eine deutsche Behörde der anderen den Tresor aufbricht.“

Die Lage ist vertrackt, der Geist, der der kleinen Flasche aus Goldblech entschlüpft ist, nicht mehr in sie zurückzustopfen. Diplomatische Verwicklungen sind unausweichlich, und ein Präzedenzfall gegen die laxe deutsche Gesetzgebung beim Antikenhandel ist auch geschaffen. In Deutschland erhebt das Auktionshaus Hirsch Nachfolger aus München, bei dem der Zoll das Kleinod beschlagnahmte, Anspruch auf sein Eigentum. Es sei 2004 rechtmäßig aus der Schweiz in Kommission genommen und habe 2005, deklariert als römischer Herkunft, für 1.200 Euro einen Bieter gefunden.

Der irakische Staat hat in Berlin und beim Museum interveniert und Strafanzeige wegen Hehlerei gegen die Firma Hirsch erstattet. Die gibt sich verschnupft und ließ Mitte der Woche mitteilen: „Auch wir verurteilen Raubgrabungen und den illegalen Kunsthandel und distanzieren uns von diesem ausdrücklich.“ Man sei durchaus bereit, direkt mit der irakischen Regierung in Kontakt zu treten. Müller-Karpe hat den Krug vor drei Jahren vom Zoll zur Verwahrung bekommen. Damals war er ihm vom Zoll „in einem einfachen, gefütterten Umschlag“ per Post zugesandt worden: „Ich bin ganz bleich geworden.“ Das Auktionshaus wollte ihn zurück, nachdem ein Ermittlungsverfahren, ausgelöst durch Strafanzeige, die ein aufmerksamer Auktionsbeobachter erstattet hatte, von der Staatsanwaltschaft München eingestellt worden war. Auktionshaus Hirsch klagte beim Hauptzollamt auf Herausgabe. Das Museum verweigert.

Die schlichte Lösung, den Krug mit den kleinen, gerollten Henkelattachen – noch einmal per Post – in den Irak zurückzuexpedieren, ist ihm verwehrt: „Ich habe mich schon so weit aus dem Fenster gehängt.“ Andererseits sei es ihm unmöglich, wertvolles Kulturgut, das eindeutig durch „Unterschlagung, Diebstahl, Hehlerei“ den rechtmäßigen Besitzern entzogen worden und wie auch immer in die Bundesrepublik gelangt sei, einfach in Privatbesitz zurückzugeben. Das Problem seien die deutschen Gesetze, die den Handel kaum oder nur mit geringen Ordnungsstrafen sanktionierten.

Zuständig für eine Entscheidung in dem verzwickten Rechtsfall ist nun das Finanzgericht München, das vermutlich noch in diesem Monat eine Entscheidung treffen muss. Thomas Lang, Pressesprecher der Zollfahndung, erklärte der taz im Donnerstag die Rechtslage aus seiner Sicht. Das Corpus Delicti sei derzeit „Eigentum der Bundesregierung“, das Finanzgericht wolle es als Beweismittel, also müsse es auch dorthin: „Alles andere klären wir später.“ Wenn es tatsächlich irakisch sei, sei der Handel mit dem Krüglein allemal illegal. Ob es aber in sein Heimatland zurückgegeben werde, sei noch ungewiss. Das hänge von den Aus- und Einfuhrdaten ab, die aber wohl kaum noch zu ermitteln seien, aber: „Wenn das vor 1990 war, gehört es der Bundesrepublik!“ HEIDE PLATEN