Kolumne Ökosex: Der Effizienz-Papst am Bahnsteig 3

Ich habe ihn gesehen, in echt: Meinen Ökohelden Ernst Ulrich von Weizsäcker.

Wie in der letzten Ökosex-Kolumne bereits angeregt: Nur ein paar Millionen Kündigungen können im heißen Bundestagswahlkampf die Konzerne und die Atomfreunde in CDU und FDP ein bisschen abkühlen! Bis zur Anti-AKW-Demo am 5. September in Berlin ist noch Zeit. Wer heute als Atomstromgegner bei den Konzernen nicht kündigt, ist mindestens so blöd wie eine spanische Dienstwagenfahrerin.

Ich war wegen dieser leidigen Atomgeschichte in Deutschlands unterwegs. Umsteigen in Mannheim. Auf einer Bank sitzt ein älterer Mann, mit weißem Haar und weißem Hemd. Ich schiele rüber. Kommt mir bekannt vor. Hat einen Stock dabei. Sitzt da und guckt auf die Anzeigetafel. Mich trifft der Schlag. Er ist es. Einer der bedeutendsten Effizienzpäpste der Welt. Der Faktor-4-Mann und frühere Präsident des Wuppertal-Instituts: Ernst Ulrich von Weizsäcker.

Seinen Büchern verdankte ich die Initialzündung. Das Anfixen vor zwanzig Jahren. Die Liebe zur solaren Effizienzrevolution. Ohne ihn kein Ökosex. Von ihm habe ich den Glauben an die solaren Effizienztechnologien. Unglaublich: Da sitzt mein Effizienzpapst also ganz in meiner Nähe. Spreche ich ihn an?

Ich würde ihm so gerne von meiner Dachisolierung erzählen, der Solarthermie und meinem Kindertandem. Sein Zug muss gleich einfahren. Schlechtes Timing. Ich würde ihm so gern von meiner Idee des "Energieparks Deutschland" berichten, der sich über 1.000 Kilometer an der A 7 entlangzieht. Brauchen wir ein nationales Großprojekt der Erneuerbaren? Ich hoffe, ihm würde diese Idee der Energie des Volkes gefallen. Stimmt er mir zu? Wäre das die richtige Antwort auf Desertec, dem Wüstentraum der Konzerne? Wäre er begeistert von der Idee der gesellschaftlichen Großinvestition? Würde er vielleicht sogar mitmachen bei ihrer Verbreitung?

Doch jetzt am Bahnsteig fehlt die Zeit. Sein Zug kommt, er steigt ein und braust in die andere Richtung davon. Am meisten wollte ich ihm danken für sein Buch, das ich vor zwanzig Jahren gelesen habe: Erdpolitik, geschrieben 1989. Da steht schon alles drin, was hermuss: ein neues Wohlstandsmodell, wahre Preise, ökologische Steuern, Effizienz, Erneuerbare, globale Solidarität und Pipapo. Also einfach das Gegenteil von Dienstlimousinen und Laufzeitverlängerungen. Weizsäcker hat das Ganze Faktor 4 genannt.

Ich würde ihn auch gerne fragen, ob er nicht schrecklich an der Ausredengesellschaft gelitten hat. Er war später im Bundestag: Vorsitzender des Umweltausschusses für die SPD. Hat er unter Clement gelitten und an den Kohle-Johnnies? Und überhaupt: Hat er vor lauter Glauben an die Technologie die kulturellen Blockaden in der Konsumgesellschaft unterschätzt? Die Brummbrummgefühle und die gekauften Eliten? All das würde ich gern mit ihm diskutieren. Und noch viel mehr. Wie weit sind wir von einer echten Klimaschutzkultur entfernt? Lichtjahre oder eine Legislaturperiode?

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