Kolumne Männer: Star Wars

Väter sind nur noch selten Idole ihrer Söhne. Zum Glück gibt es Darth Vader.

Würde jemand meinen Vater fragen, wer ich bin und was ich tue, wäre seine Antwort wohl: "Der wohnt in Berlin, arbeitet bei so ner Zeitung. Ist n guter Junge. Aber könnte sich mal wieder rasieren." Mehr habe ich zum Thema "Väter und ihre Söhne" eigentlich nicht zu sagen. Eigentlich.

Denn paradoxerweise wird über Weniges mehr geschrieben als über beredte Sprachlosigkeit in Familien: etwa über die beeindruckende Fähigkeit vieler Mütter, stets etwas anderes zu meinen, als sie sagen. Keine Beschreibung der Freundin des Sohns ist vernichtender als "diese nette, etwas kräftige". Nichts macht den Vorwurf zu seltener Elternbesuche klarer als "Es war so schön, als du das letzte Mal hier warst. Wann war das noch mal?" Viele Väter stiften unter ihren Kindern deutlich weniger Sprachverwirrung. Sie schweigen einfach.

Die Sprachlosigkeit zwischen Vätern und ihren Söhnen ist eine Kunst, deren Details nur wenige zu schätzen wissen. Dabei kennt fast jeder Mann den Genreklassiker: das Elterntelefonat. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Sohn und Mutter miteinander aneinander vorbeireden und Letztere darauf hinweist, wie schade sie es finde, dass es nicht geklappt habe mit der Netten, etwas Kräftigen, befiehlt sie ihren Gatten ans Telefon: "Der Junge ist dran."

In die folgenden fünf Minuten lässt sich erstaunlich viel Schweigen füllen. Alles, was Vater und Sohn einander noch nie gesagt haben, wird auch hier ausführlich außen vor gelassen. Man parliert über Wetter, Sport, Arbeit und Politik, und je nach Witterung kommen drei oder vier Dinge schlecht weg. Der Sohn weiß, dass er wirklich erwachsen ist, wenn er sich beim Auflegen erstmals fragt, ob seinem Vater das Telefonat womöglich ebenso unangenehm war wie ihm selbst.

Ich kenne mehrere Männer, die es sich zum Ziel gesetzt haben, das Gegenteil ihres Vaters zu werden. Das Anti-Papa-Sein ist zum Kern ihres Selbstverständnisses als Mann geworden. Männer wie sie sind dafür verantwortlich, dass der täppische Luke Skywalker zum Idol ganzer Jungsgenerationen wurde. Aber wer hört schon auf mich? Ich war bei Star Wars ja auch für Darth Vader.

Es liegt für Männer nahe, sich in Abgrenzung zum Dark Father zu definieren. Weil er die kindlichen Sehnsüchte nach Anerkennung und Geleit nicht erfüllt hat. Weil er despotisch war. Weil er die Familie verlassen hat. Weil er die Familie nicht verlassen hat. Oder weil er die Galaxie versklaven wollte. Viele Männer wachsen mit dem mal deutlich, mal vage formulierten Auftrag ihrer Mutter auf: Werde ein besserer Mann als dein Vater.

Das ist eine Überforderung ihres Sohns, der so kein positives Männlichkeitsbild entwickeln kann. Es ist auch eine Beleidigung des Kindsvaters sowie das unfreiwillige Eingeständnis der Mutter, dass sie einen miserablen Männergeschmack hat. Und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit: Immerhin opfert sich am Ende Darthy, wie ich ihn nenne, um Luke vor den Machtblitzen des Imperators zu retten. Das ist heldenhaft. Und erspart beiden Seiten viele unangenehme Telefonate.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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