DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Ich pinne, also bin ich

WAS SAGT UNS DAS? Auf soziale Shoppingseiten wie Pinterest und Svpply können Nutzer zeigen, was sie gerne kaufen würden. Wenn sie könnten

Wie cool wäre das – wenn wir nicht mehr darunter leiden müssten, was wir uns alles nicht leisten könnten? Wenn wir uns unseren Freunden so präsentieren könnten, wie wir aussehen und wohnen würden, wenn wir das Geld dazu hätten? Das machen die sozialen Netzwerke Pinterest und Svpply jetzt möglich: Dort pinnst du Fotos von Gucci-Handtaschen auf dein Profil – und es ist vollkommen irrelevant, ob du sie tatsächlich besitzt oder nicht. Denn sie ist da, in deinem virtuellen Showroom, frei zugänglich für alle Freunde und Follower. Eine monetär günstige Form des egalitären Konsums in Zeiten der Krise.

Ob Wohnaccessoires, Jeans oder Schmuck – die Produktpalette ist riesig. Speziell bei Pinterest hängen allerdings massenhaft Cupcakerezepte, Fotos von lackierten Fingernägeln, Einfamilienhäusern und Babykatzen an Pinnwänden, kommentiert mit Substantiellem wie „Süß“ und „Ich bin süchtig danach“. Das wirkt im Gegensatz zum stylisheren Svpply bieder und altbacken. Gemeinsam ist beiden Sites aber der konsumorientierte implizierte Ausruf: Ich onlineshoppe, also bin ich. Allerdings besteht – sind die schönen Dinge erst mal auf der eigenen Pinnwand beziehungsweise im virtuellen Kleiderschrank verstaut – womöglich weniger Anlass zum tatsächlichen Kauf. Ansehen, posten, sattsehen – man muss ja nicht alles besitzen.

Das Vergnügen, die perfekte Inneneinrichtung oder das hippste Outfit zusammenzustellen, wird den finanzkrisengebeutelten Jägern und Sammlern nicht genommen – es wird lediglich in den kostensparenden virtuellen Raum verlegt. Das heißt nicht, das online nur geguckt wird und Gucci keine Handtaschen mehr verkauft. Doch im Gegensatz zu Zalando und anderen Onlineshopping-Plattformen wird über soziale Shoppingportale weniger Massenware herumschickt.

Das gute alte „Mein Haus, mein Auto, meine Hochzeitstorte“-Spiel, verlegt in ein Online-Parallel-Universum, kostet so viel weniger Geld. Wer schaut da schon auf die Zeit! JULIA NIEMANN