Kolumne Männer: Er steht einfach nicht auf dich

Männer klagen nicht, sie gerieten „immer an die Falsche“. Leider. Auch was weibliches Rülpsen angeht, tappt der Mann im Dunkeln.

Es gibt Sätze, die habe ich noch nie von einem heterosexuellen Mann gehört. Dazu zählt, mit Blick auf einen Cocktail, der Ausruf: „Guck mal, so schöne Farben!“ Oder die informationsneutrale Aussage: „Ist schon kühl, wenn die Sonne weg ist.“ Bedauerlich aber finde ich, dass ich keinen Mann kenne, der mal seufzend gesagt hat: „Ich gerate immer an die Falsche.“

Männer sind bei der Partnerwahl im Schnitt nicht dümmer oder klüger als Frauen. Auch sie glauben mitunter, dieses Mal nun wirklich die Richtige gefunden zu haben. Dabei könnte ihnen jeder Statistikstudent im ersten Semester bei einem Cocktail beliebiger Farbe erklären: Solange jemand bei der Partnersuche dieselben unbewussten und bewussten Suchkriterien anlegt, wird er oder sie mit sehr großer Wahrscheinlichkeit an ähnliche Charaktere geraten wie bei den Beziehungsversuchen zuvor. Mit ähnlichen Resultaten. Doch nur von Frauen höre ich: „Ich gerate immer an den Falschen.“ Das macht mich neidisch.

Diesen Seufzer stelle ich mir sehr angenehm vor. Er entlastet vom Druck, sich unentwegt als selbstbestimmtes Wesen zu verstehen. Oder zumindest davon, sich als solches zu präsentieren. Schließlich hat niemand die volle Kontrolle über die Folgen frühkindlicher Prägungen und Sehnsüchte. Apropos Druck ablassen: Einst verließ ich mit einer begehrten Frau eine Kneipe. Anstatt mit mir vor der Tür zu knutschen, rülpste sie laut und sagte zufrieden: „Das tat gut.“ Und ich redete mir ein, das sei ja jetzt nicht unbedingt ein Zeichen erotischen Desinteresses.

In der Öffentlichkeit gilt ein Mann, der die Verantwortung für das Scheitern seiner Beziehungen stets anderswo sucht, schnell als jemand, dem auch recht kalt wird, wenn die Sonne weg ist. Hingegen erzählte mir eine Freundin ungerührt von ihrem Seitensprung. Ihr Freund sei nun mal gefühl- und gedankenlos gewesen und kaum an Sex interessiert: „Da wäre ich sonst eingegangen wie eine Primel.“ Betrug aus Notwehr.

„Viele Frauen haben das Drehbuch für die perfekte Romanze seit ihrer Jugend im Kopf und casten sozusagen ihren persönlichen Hauptdarsteller“, urteilte der Psychotherapeut Stefan Woinoff in einem Interview. „Nur dass der zur aktuellen Lebenssituation schon längst nicht mehr passt.“ Das gesteht manche Frau sich nicht ein. Erfüllt der Mann nicht ihre unbewussten Sehnsüchte – oder bedient er eben ihre verdrängten Ängste –, war er halt „der Falsche“. So eine Entlastungsstrategie will ich auch. Es ist nämlich nicht sehr angenehm, sich einzugestehen, dass man ein gewisses akustisches Warnsignal ignoriert hat.

Viel angenehmer wäre es doch, könnte ich mir einreden, Rülpsen zeuge von Entspannung. Entspannung ist ein Hinweis auf Sympathie. Sympathie führt zu Küssen. Küsse führen zu Sex. Rülpsen – süßes Versprechen der Liebe!

Wenn ich genauer darüber nachdenke, merke ich: Mit ihrem Rülpser wollte die Angebetete mich tatsächlich scharfmachen. Vielleicht habe ich ja ein entscheidendes Locksignal übersehen. Ich sollte sie mal wieder anrufen. Sie hat eine zweite Chance verdient. Diesmal ist sie bestimmt die Richtige.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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