DIE DREI FRAGEZEICHEN
: „Fußbälle und Motorräder“

TREND Grabsteine werden immer individueller: Zwei Frankfurter Soziologen erforschen den Wandel der Bestattungskultur

taz: Herr Meitzler, Sie haben sich mit ihrem Kollegen Thorsten Benkel Hunderte Friedhöfe angeschaut. Wohin geht der Trend bei Grabsteinen?

Matthias Meitzler: Zur Zeit werden die Gräber immer bunter und individueller. Ich hatte zuerst überlegt, etwas zu Fotos auf Gräbern zu machen: Das habe ich bis dahin für das Individuellste gehalten, was es gibt. Aber es ist erstaunlich, was es auf Friedhöfen alles zu entdecken gibt. Im Alltagsdenken stellt man sich den Friedhof oft düster und grau vor, alle Gräber sind gleich. Aber das entspricht nicht mehr der Realität – immer häufiger haben Verstorbene etwa Fußbälle als Grabstein. Motorräder, Rockgitarren oder andere Symbole werden abgebildet. Obwohl ich schon auf so vielen Friedhöfen war, wird man doch immer wieder neu überrascht.

Woher kommt dieser Trend zum individuellen Grab?

Der Friedhof greift mit der Individualisierung zunehmend einen Trend auf, der sich seit Jahren in der Gesellschaft abzeichnet. Früher war im Leben vieles vorbestimmt, zum Beispiel der Beruf. Heute sind die Menschen gezwungen, sich ihr Leben selbst zu erbasteln. Selbstverwirklichung und Individualitätsdarstellung sind sehr wichtig geworden. Das überträgt sich auch auf die moderne Grabgestaltung auf dem Friedhof. Oft verweisen die Gräber auf Hobbys – damit soll eine einzigartige Lebenswelt verdeutlicht werden.

Kosenamen oder Gedicht? Haben Sie sich auch schon mal Gedanken zu Ihrem eigenen Grabstein gemacht?

Natürlich – wenn man auf über 300 Friedhöfen war, stößt man auf viele Ideen. Mein Kollege und ich haben uns schon Gedanken darüber gemacht, aber die verraten wir natürlich nicht.

INTERVIEW MARLENE STAIB

■ Matthias Meitzler, Thorsten Benkel: „Sinnbilder und Abschiedsgesten. Soziale Elemente der Bestattungskultur“. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2013, 336 S., 89,80 Euro