Steig bitte aus!

Tücken der Freundschaft. Wie ich einmal an einer Autobahn ausgesetzt wurde

Wir reisten nach Las Vegas, verstanden uns großartig und wurden gute Freunde

„So, Corinna, hier endet unser gemeinsamer Weg. Dein Flug geht am Mittwoch, das Hotel ist bis dahin bezahlt. Jetzt steig bitte aus!“ Mit diesen Worten endete heute vor acht Jahren eine recht merkwürdige – aber nicht unangenehme – Phase meines Lebens.

Dabei hatte alles so gut angefangen … Mitte Januar hatte ich einen Anruf erhalten. Ob ich Lust hätte, ihn drei Wochen nach Las Vegas zu begleiten, fragte der freundliche Herr am anderen Ende der Leitung, alles sei schon gebucht und bezahlt, sein Geschäftspartner, der eigentlich für die Reise eingeplant war, habe sich den Fuß gebrochen, Sorgen brauche ich mir keine zu machen, getrennte Zimmer seien selbstverständlich, er wolle halt nur nicht alleine fahren. Nach kurzer Überlegung fiel mir wieder ein, woher ich den Herrn kannte: Silvester in Wien. Große Party. Ich kam mit Franz A. – so hieß der nette Herr – ins Gespräch, er erzählte, dass er eine Spielhallenkette besäße und mich nett fände. Nach der Party fuhr er meine Freundin und mich in seinem weißen Mercedes nach Hause. Und nur zwei Wochen später kam der Anruf mit der tollen Einladung.

Ich sagte selbstverständlich sofort zu, und, ehrlich, die Las Vegas-Reise war großartig, wir zockten und hatten Spaß und fuhren zwischendurch sogar zu einem Hunderennen nach Corpus Christi, weil dort ein Hund lief, den Franz unbedingt live sehen wollte. Wir verstanden uns großartig und wurden gute Freunde.

Franz hatte Geld wie Mist, und es machte ihm Freude, alles zu bezahlen, wir wohnten abwechselnd in den besten Hotels, tranken Pinacolada und hatten in den Casinos eine Glückssträhne nach der anderen – es war genau wie im Film!

Franz war damals 40 Jahre alt, und in den Spielpausen erklärte er mir die Wiener Unterwelt, in der er beheimatet war, und die Unterwelt von Las Vegas gleich mit. Allerdings hatte Franz die liebenswerte Angewohnheit, in feinen Lokalen stets alle Gläser auf dem Tisch umzustoßen und die Edelholzspieltische in den Spielbanken mit Zigarettenasche zu beferkeln, wodurch wir nicht überall beliebt wurden.

Nur einmal zwischendurch war es etwas seltsam, als er einfach drei Tage lang kein einziges Wort mit mir redete. Wie sich hinterher herausstellte, war er einfach sauer, weil er seine Sonnenbrille verloren hatte. Aber ansonsten war er ein netter, charmanter Herr, der mir auch gern und oft von allen möglichen Schummeleien und Tricks aus seiner aktiven Profi-Spielerzeit erzählte, die er aber schon hinter sich gelassen hatte. Inzwischen war das Glücksspiel nur noch ein schönes Hobby für ihn.

Aber auch die schönste Reise geht leider mal zu Ende, und wir flogen wieder heim. Er nach Wien und ich nach Münster. Wer aber jetzt denkt, damit sei das Märchen schon vorbei, dem rufe ich zu: „Ha! Weit gefehlt!!“ Nein, nein, der Traum ging noch weiter. Einmal im Monat holte mich Franz für eine Woche nach Wien. Ich war damals Studentin und hatte genug Zeit. Er bezahlte meine Flugtickets und quartierte mich stets im kleinen, aber superfeinen Hotel Reithers ein. Tagsüber konnte ich machen, was ich wollte, und abends führte er mich in feine Lokale, in denen wir fürstlich speisten. Dann erklärte er mir sämtliche Unterwelten der Welt. Ich wollte damals gern in Wien ans Theater, und Franz machte mich auch gleich mit wichtigen Leuten bekannt, die zwar nicht sonderlich begeistert schienen, ihm aber irgendeine Form von Respekt zollten und zumindest mit mir sprachen. Aus der Theatersache wurde allerdings nichts, wahrscheinlich brauchten sie in Wien gerade niemanden wie mich. Franz bot mir zum Trost einen Job in seinen Spielhallen an, aber das wollte ich wiederum nicht.

Eines Abends, es war der 2. Dezember 1996, ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen, eines Abends also versäumte ich es, mich bei Franz zu melden, um ihm zu sagen, wo er mich abholen könnte, holte er mich doch stets mit dem weißen Benz ab, egal an welcher Ecke der Stadt ich mich befand. Das war nicht fein von mir, mich einfach einen Abend lang nicht zu melden, nach allem, was er für mich getan hatte, aber ich war an diesem Abend auf einer Lesung, die etwas länger dauerte, bis vier Uhr morgens ungefähr.

Am nächsten Tag war Franz zunächst ganz normal. Wir hatten Karten für das „Weiße Rössl am Wolfgangsee“, und Franz holte mich auch pünktlich am Hotel ab. Aber schweigsam war er, und ich hatte auch keine Lust, mich für mein Versäumnis am Vorabend zu rechtfertigen. Der weiße Benz brauste über die Stadtautobahn, schwenkte plötzlich auf die Standspur, Franz öffnete über mich hinweg die Beifahrertür und sagte: „So, Corinna, hier endet unser gemeinsamer Weg. Dein Flug geht am Mittwoch, das Hotel ist bis dahin bezahlt. Jetzt steig bitte aus!“ Ich sah ihn nie wieder. CORINNA STEGEMANN