freuden für das trommelfell von WIGLAF DROSTE
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Das deutsche Massenpublikum kennt die Figur des Pater Brown nur als Karikatur – dargestellt vom dauerverschmitzten Nazimitlaufschauspieler Heinz Rühmann oder neuerdings vom Bild-und-Bunte-Prominenten Ottfried Fischer. Dabei ist „Father Brown“, das populärste Geschöpf des englischen Romanciers und Essayisten Gilbert Keith Chesterton (1874–1936), alles andere als fernsehflach. Chestertons Kriminalgeschichten, in denen er den rundlichen Geistlichen Father Brown mysteriöse Kriminalfälle lösen lässt, sind weltanschauliche Miniaturen von großer Tiefe, Klarheit und Wucht.

„Pater Brown und die Midasmaske“, 1988 im Nachlass von Chestertons Sekretärin gefunden, wurde 2004 auf Deutsch veröffentlicht, im selben Jahr von Harry Rowohlt für den Deutschlandfunk gelesen und jetzt im HörVerlag veröffentlicht. Angeblich wurde Rowohlt vom Hörbuchregisseur Denis Scheck kurzerhand für diese Lesung schanghait, als er, Rowohlt, im Kölner Funkhaus ohnehin zu tun hatte.

Das klingt eher nach einer hübschen Legende; Harry Rowohlt liest auch diese Erzählung mit jener sinnorientierten Betonung, die den Inhalt hervorbringt und stärkt. Genau das ist die Kunst; die üblicherweise angeheuerten Quotenschauspieler, die Massenprodukte herunterleiern, wissen von ihr nichts. Sie haben technisches Aufsagesprechen gelernt, bei dem ein Inhalt egal ist. Wer aber nichts empfangen hat, kann auch nichts senden. Harry Rowohlt spricht mit der anregenden Entspanntheit des Verstehenden: „Der Laden war eine jener entzückenden Rumpelkammern, die Kinder und die wirklich Weisen mit ihren Augen wie ein Märchenland erkunden. Viele aber, die einen ordentlicheren und braveren Geschmack besitzen, hätten ihn nicht von einer Mülltonne zu unterscheiden vermocht.“

Auch Hans-Eckhardt Wenzel weiß, wie man dem menschlichen Trommelfell Gutes tut. Unter dem Titel „Vier Uhr Früh“ (Conträr Musik) hat der Sänger 15 Gedichte des Österreichers Theodor Kramer (1897–1958) vertont. In Zeilen wie „Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe / Und fürs Bittre bin ich da“ fühlt man einen traurigen, mond- und sehnsüchtigen Swing, den Wenzel ganz feinstofflich eingefangen hat. Seine Adaptionen sind, bei allem Feuer des Vortrags, zart genug, die Verse am Leben zu lassen. Hätte ich einen Radiosender, Kramers „Nachtlied“ in der Fassung von Wenzel wäre meine Spätabendhymne: „Allen Paaren auf den Bänken, / allen Säufern in den Schenken, / allen, die in Bann und Acht, / wünsch ich eine gute Nacht. // Allen in den Krankensälen / allen, denen Glieder fehlen, / allen, deren Kreuz schon kracht, / wünsch ich eine gute Nacht. // Allen, die’s zu üppig treiben, / allen, die sich früh zerreiben, / allen, die dies glücklich macht / wünsch ich eine gute Nacht.“

Vermisst habe ich nur meine Lieblingsverse von Kramer: „Wann immer ein Mann trifft auf einen, / der im Winkel sitzt, stumm und allein, / so schuldet, so sollte ich meinen, / er ihm ein Glas Bier oder Wein. // Bis die Augen nicht unstet mehr wandern / und sich aufhellt das bittre Gesicht; / dies schuldet ein Mann einem andern, / aber zuhören muss er ihm nicht.“