die wahrheit: Graue Panzer nach Sibirien

Hessens renitente Rentner rüsten auf. Da hilft nur noch eins: Altenlandverschickung.

Ein erster deutscher Rentner steht allein in den Weiten Sibiriens. Bild: ap

Die Videobilder der Überwachungskamera im Wiesbadener Hauptbahnhof sind schockierend: Ein etwa 14-jähriger Junge sitzt auf einer Bank am Bahnsteig und spielt in aller Unschuld mit seinem Handy. Plötzlich tauchen zwei Rentner auf und sprechen ihn an. Offensichtlich eskaliert die Auseinandersetzung. Der Junge bleibt sitzen. Unvermittelt schlägt da einer der Rentner zu, der andere prügelt mit seiner Krücke auf den Jungen ein, bis dieser schließlich humpelnd das Weite sucht.

Kein Einzelfall. Die Übergriffe von Rentnergangs zwischen Bad Homburg und Bebra häufen sich. Die Seniorengewalt ist in der Mitte Deutschlands angekommen. Längst vorbei sind die goldenen Zeiten der Ära Adenauer, als weißhaarige Großväter noch liebevoll mit ihren Enkeln spielten. Jetzt bahnt sich eine tabulose Wirtschaftswunder-Generation ihren Weg durch die Ellbogengesellschaft - wenn nötig mit rücksichtsloser Gewalt.

Mittagszeit in der Nähe des Marburger Alfred-Dregger-Schulzentrums. Wenn die Heizspiralen der Dönerbuden und Fastfoodläden heißlaufen und die Bedienungen kaum mehr mit den Bestellungen der Schüler nachkommen, dann hat die Stunde der Grauen Panzer geschlagen. "All diese jungen Typen in ihren coolen Klamotten haben genug Geld, hier ihr Mittagessen zu kaufen. Wir nicht. Aber sie haben sich zu früh auf ihr Essen gefreut", sagt Josef Klein, der Anführer der ersten auf Mundraub spezialisierten Seniorenbande, die in Marburg ihr Unwesen treibt. Mundraub ist aber nicht nur auf Marburg beschränkt. Burger King, McDonalds, Kentucky Fried Chicken und Imbissbuden im ganzen Land sind davon betroffen. Heinz Pelke, seit zwei Jahren dabei, meint dazu: "Fressalien zu klauen ist für die ältere Generation die einzige Möglichkeit, mal was Ordentliches zwischen die dritten Zähne zu bekommen." Ob er da den Mund nicht etwas zu voll genommen hat?

Die hessische Landesregierung versucht zwar, wie üblich in solchen Fällen, die Übergriffe der Terror-Oldies herunterzuspielen, aber jeder hessische Jugendliche schaut sich heutzutage zweimal um, bevor er in seinen Burger beißt. Solange die Misere der Altersarmut anhält, ist keine Änderung in Sicht.

Szenenwechsel. Fußgängerzone in Kassel. Fünf ausländisch aussehende Jungs stehen im Kreis und unterhalten sich friedlich. Als ein Stoßtrupp von Rentnern in Freizeitkleidung im Stechschritt um die Ecke biegt, verdrücken sich die Jungs dezent in den "Migrationshintergrund". Eine Auseinandersetzung mit den militanten Oldies ist ihnen zu gefährlich. Zu oft schon wurden sie vom Mofa runtergeholt, zu oft schon wurde ihnen ein Nordic-Walking-Stock zwischen die Radspeichen gestoßen. Und viel zu oft wurden sie schon von den Sitzplätzen der Straßenbahn geprügelt. "Mit der Generation 60 plus ist nicht gut Kirschen essen", meint denn auch Mesut Anwari im Flüsterton, als er sich vor der herantrampelnden Horde hinter einer Litfaßsäule in Sicherheit bringt.

Um den besonders gefährdeten Jugendlichen Schutz zu gewähren, hat die Frankfurter Polizei eigens zwei Beamte abgestellt. Ihnen gelang zwar schon, ein paar Altersmilitante zu verhaften, aber die cleveren Senioren riechen die Polizisten schon Meilen gegen den Wind. "Die Cops sind einfach zu langsam, und ihre Ärsche sind zu fett," sagt Alfred Kolitz, der Führer der Bembel-Brigade. Und er ist einer, der es wissen muss. Die Überfalle seiner Gang laufen immer nach dem gleichen Schema ab. Die Jugendlichen werden von fünf bis zehn Bembel-Boys überfallen, die alles an sich reißen, was die Jungs bei sich tragen: Handys, iPods, Bargeld. Jeder Gangsta darf nur ein Teil abgreifen und macht sich dann eilig aus dem Staub. "Wir behalten, was wir brauchen können, den Rest verkaufen wir auf der Straße", sagt Kolitz, während er verträumt mit dem iPhone spielt, das er sich eben organisiert hat.

Die Senioren lieben dieses schockierende Spiel. Sie machen sich einen makabren Spaß daraus, ahnungslose Jugendliche um ihre vom Munde abgesparten Besitztümer zu bringen. Quo vadis, Rentner?, fragen sich angesichts derartiger Auswüchse nicht nur viele verängstigte hessische Jugendliche. Die Zeit der heiteren Äppelwoigemütlichkeit scheint auch im Reich der Bembel endgültig abgelaufen zu sein.

Wo die Politik nichts tut, haben wenigstens die Behörden schleunigst reagiert: Die Frankfurter Justiz hat jetzt eigens eine Abteilung für Schwellen- und Intensivrentner eingerichtet, die bei mehr als zehn Taten von speziell ausgebildeten Beamten betreut werden. Und notfalls werden die renitenten Rentner eben in ein Erziehungscamp nach Sibirien geschickt: "Da kennen sie sich ja schon aus", meint Staatsanwalt Rüdiger Hauschild, "bei der letzten Kriegsgefangenschaft hat der Russe ihnen die passenden Flötentöne beigebracht."

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