der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… in Italien darf kein Weichei sein, er muss einstecken, aber auch austeilen können. Es gibt kaum ein zweites Land in Westeuropa, in dem das öffentliche Ansehen schwuler Männer derart ramponiert ist wie im Lande Berlusconis. Die in jeder Fernsehshow demonstrierte Frauenverachtung mit üppigen Blondinen und obszönen Kamerafahrten zwischen pralle Brüste und offene Schenkel kennt als Kehrseite dümmlichste Schwulenwitze und eine tiefe Abneigung gegen alles, was nicht dem allgewaltigen reaktionären Männerbild entspricht. Nicht umsonst wird das Land von einem testosterongesteuerten Gockel regiert.

Wie groß das Ausmaß des Schwulenhasses ist, zeigte sich während der Debatte, um das DICO, ein Gesetzentwurf der Mitte-links-Koalition unter Romano Prodi. Mit dieser „Erklärung des Zusammenlebens“ sollten alle Beziehungen ohne Trauschein – also auch die homosexuellen – aufgewertet werden. Zwar war man damit immer noch weit entfernt von den Standards der westlichen Partnerländer, dennoch lief die politische Rechte Sturm dagegen, mit einem potenten Verbündeten an ihrer Seite, dem Vatikan. Gesetze, die gegen das Naturrecht verstoßen, verkündete Papst Benedikt, gefährdeten die Zukunft der Gesellschaft, und Berlusconi spottete über die „Ehe der zweiten Liga“. Mobil machten die Katholiken im Mai 2007 und brachten in Rom eine halbe Million Menschen zum „Family Day“ auf die Beine. Berlusconi setzte schließlich nach seiner Wiederwahl ein Jahr später den DICO-Plänen ein Ende.

Wie sehr sich die feindselige Stimmung gegen Schwule gehalten hat, ließ sich vor ein paar Wochen beim Musikfestival von San Remo hören. „Luca era gay“, sang da ein gewisser Povia, „Luca war schwul“, die Geschichte eines jungen Mannes, der nach einer Nacht mit einer schönen Frau Abschied nimmt vom schwulen Leben: „Sie befreite mich, / sie verstand mich. / Ich bin ein anderer Mensch.“ Damit war der Festival-Skandal vorprogrammiert, Schwulenorganisationen gingen gegen die wundersame Homo-Heilung auf die Straße, und der Schauspieler Roberto Benigni wetterte auf der Bühne von San Remo gegen Homophobie und gegen jene, die Homosexuelle einst ins KZ schickten.

Es half alles nichts, Innenminister Roberto Maroni, für den Schwule nichts weiter sind als „asoziale Schlappschwänze“, drohte damit, Proteste wegknüppeln zu lassen. „Schwule raus!“, tönte es aus dem Saalpublikum. „Luca era gay“ landete auf Platz 2 der Zuschauergunst beim alljährlichen Höhepunkt des Fernsehjahres, dem Finalabend von San Remo, der immer wieder jeden Quotenrekord bricht.

Jetzt aber bekommen Italiens Schwule Zuspruch der besonderen Art von gänzlich unberufener Seite. Die italienische Tochter der deutschen Bausparkasse BHW unterzeichnete einen Vertrag mit Arcigay, der größten Homo-Organisation des Landes. Danach erhalten die Arcigay-Mitglieder künftig Sonderkonditionen von der BHW, wenn sie gemeinsam mit ihrem Lebenspartner einen Kredit zum Kauf oder Bau eines Hauses beantragen. Und ein Teil dieser BHW-Einnahmen fließt in einen Fonds, der Jugendliche unterstützt, die in Schwierigkeiten geraten sind wegen ihrer Homosexualität.