Ätzende Abgründe

PRESSEREISE Zu Besuch in der feinsten Mate-Tee-Fabrik Südamerikas

Zigarrenstummel, Lederreste und eine Portion Aas gehören in jeden echten Mate

Wie saurer Regen von der Seite – so fühlt es sich an, wenn man zum ersten Mal die Fermentationsanlage im paraguayischen San Torriado betritt. Ein beißender Geruch umströmt die Nase, ein Odeur wie von Bahnhofsklo, Käsetheke und Reformhaus in einem. Das macht den mitteleuropäischen Journalisten schwer zu schaffen, die extra die lange Anreise auf sich genommen haben, um die größte Mate-Fabrik der Welt zu besichtigen. Eingeladen hatte sie der Mann, der über all dies herrscht: Santiago Suarez-Schulz, Mate-Magnat und bekennender Schnauzbartträger.

Einige der Kollegen von Spiegel und Zeit sind wohl nicht nur gekommen, weil sie so gern Mate trinken, sondern weil sie ein düsteres Geheimnis in der Vergangenheit von Suraez-Schulz vermuten. Längst wird gemunkelt, dass der Sohn einer peruanischen Prostituierten und eines mittlerweile verstorbenen hochrangigen deutschen SS-Offiziers auch den Freimaurern und der brutalen südamerikanischen Mafia „Los Dos de la Muerte“ angehören soll. „Ah, lassen Sie uns nicht über die Vergangenheit reden“, wiegelt Suraez-Schulz ab und spaziert fröhlich weiter hinein in seine Mate-Tee-Fabrik, der effektivsten auf dem ganzen Kontinent, wie er betont.

An der nächsten Ecke ist für den Kollegen von Focus aber schon Schluss, mit grüngelblichem Teint und triefenden Augen rennt er beim Anblick der Fermentationsbottiche aus der Halle, noch ehe der Chef-Fermentator der Fabrik, Estevez Blumberg, den ersten Schritt der Produktion erklären kann – und dies in beachtlichem Deutsch. „Das Geheimrezept ist simplico, aber genial, der Vater von Seňor Schulz es hat einst aus der Heimat mitgebracht. Sehr viele Zigarrenstummel und faulige Lederreste man braucht für Mate. Und das hier.“ Blumberg jongliert mit einer kleinen silbernen Dose, auf der geheimnisvoll „Phase M“ steht. Mit dicken Handschuhen öffnet er sie behutsam und kippt etwas in den Tiegel mit der zerkleinerten und aufgeweichten Zigarren-Leder-Masse. Es blubbert und goggelt, eine gigantische Wolke steigt auf und weht direkt auf die Journalistinnen von Gala und Jolie zu, die eigentlich nur gekommen waren, weil sie gehört hatten, dass Mate schlank macht. Blind von den ätzenden Dämpfen und panisch kreischend rennen sie davon. „Nicht so schnell, meine Damen!“, ruft Suarez-Schulz noch, aber sie sind schon in der Gärgrube abgetaucht und waren nie mehr gesehen.

„Herr Schulz …“, schickt sich ein junger Reporter des Hintertupfinger Tagblatts an zu fragen, „… wie steht es eigentlich um die Arbeitssicherheit in Ihrem Betrieb? Ich meine, diese Zustände hier …“ – „Papperlapapp!“, unterbricht ihn der gleich herbeigeeilte Sicherheitschef des Unternehmens, Jorge Quetsch, „wir haben hier die gleichen Standards wie in Deutschland auch.“ Eine andere Sprache sprechen allerdings seine Augenklappe und die Stahlkralle an der linken Hand. Darauf angesprochen erwidert er lapidar: „Ach das? Nur ein paar alte Kriegsverletzungen. Nicht weiter schlimm.“ Der Reporter vom Tagblatt nickt steif und folgt dann wortlos den beiden großgewachsenen, muskulösen bolivianischen Arbeitern, die hinter ihm aufgetaucht sind.

„So, wer hat Lust auf eine Verkostung?“, strahlt Suarez-Schulz die verbliebenen Pressevertreter an. Doch nicht einmal der Chefredakteur von Leckerschmecker mag so recht „Hier!“ rufen. „Was denn, was denn, warum so schüchtern?“, frohlockt der Mate-Millionär. „Hier entlang!“ Die Wanderung führt in den feuchtwarmen Keller des Komplexes, wo hunderte Arbeiter schwitzend die zähe Masse in den Wannen und Bottichen umrühren. „Ständige Bewegung, das macht unseren Mate so aromatisch und lecker“, erklärt Suarez-Schulz im Vorübergehen. „Ich hab Angst. Das alles hier ist nicht gut“, murmelt die bibbernde Redakteurin von Mädchen unentwegt in sich hinein.

Dann ist da diese Tür, dick, grau, schalldicht. Sie öffnet sich einen Spalt und gibt den Grauen erregenden Blick frei auf den kopfüber baumelnden, leblosen Tagblatt-Reporter. Das Schreien bleibt den anderen im Halse stecken. Schon werden sie mit Mategas betäubt und sinken zu Boden. „Das wird auch immer schwieriger, die hierher zu kriegen“, raunt Suarez-Schulz seinem Sicherheitschef zu. Dieser nickt: „Ja, aber ohne Aas schmeckt der Tee so fad.“ Dann nippen sie an ihren Mategläschen und freuen sich schon auf einen neuen hervorragenden Jahrgang. MICHAEL GÜCKEL