die wahrheit: Leben im Letztpark

Will ein Zirkus nicht verkrachen, muss er auch Reklame machen. Das leuchtet jedem Kind ein. Bäcker, Dachdecker oder Fahrradhändler haben es relativ leicht ...

Will ein Zirkus nicht verkrachen, muss er auch Reklame machen. Das leuchtet jedem Kind ein. Bäcker, Dachdecker oder Fahrradhändler haben es relativ leicht mit ihren Werbesprüchen. Sie decken mit ihren Waren Bedürfnisse vom Hunger über Schutz vor Regen und Kälte bis zur Bewegung ab. Schwerer tun sich da schon die Friedhofsgärtner mit ihrem sperrigen Geschäftsmodell.

Mit dem Spruch "Hier liegen sie gut, preiswert und ganz lange" ist wohl kein Kunde zu gewinnen. Aber der Bund deutscher Friedhofsgärtner hatte eine "Vision" und startete deshalb seine Kampagne unter dem Motto: "Es lebe der Friedhof!" Das Motto gefiel dem Bundesvorsitzenden Lüder Nobbmann so gut, dass er die Kampagne unter www.es-lebe-der-friedhof.de ins Netz stellen ließ.

Die "Botschaft" seiner Kampagne: "Das Leben ist auf dem Friedhof nicht zu Ende", sondern beginnt hier erst recht - das stimmt zumindest für "die Welt der Friedhofsgärtner", die nach Nobbmann geprägt wird von "Modernität und Tradition, solidem Handwerk und Kunst, Innovation und Naturliebe, Herz und Verstand". Sind die geliebten Menschen schon mal tot, so leben doch Friedhöfe und Friedhofsgärtner weiter und machen Stimmung für ihre umfassende "Produkt- und Servicepalette" im öden Letztpark.

In Sachen Innovation ließen sich die Friedhofsgärtner bereits einiges einfallen. Für einen verstorbenen Golfspieler bieten sie eine Grabgestaltung an unter der Devise "Er liebte das Grün". Für verblichene Weinliebhaber haben sie Grabschmuck unter dem Motto "Vive la France" im Angebot, was Rheingauer, Pfälzer, Badenser, Württemberger und fränkische Winzer nicht gerade erfreuen wird.

"Im Garten der Zeit wächst die Blume des Trostes", sagt der Friedhofsgärtnerbund. Aber er ist für alle Trostfälle gerüstet. Von "Auferstehung" bis "Zähigkeit" hat er "Symbolpflanzen" am Lager. Für "Armut" und "Menschlichkeit" etwa steht der Ginster, für "Ausdauer" der Buchsbaum, für "Zähigkeit" die Eberesche.

Richtig bös erwischen die Gärtner mit ihren Symbolpflanzen allerdings die Sozialdemokraten. Die marschieren zwar schon seit Generationen mit der roten Nelke für die Rechte der Arbeiter, aber für den Friedhofsgärtnerbund sind rote Nelken nur das Symbol für "Eitelkeit". Die SPD hat offenbar einen neuen Gegner im Kampf ums Vorletzte.

Auch mit den christlichen Kirchen dürften sich die Friedhofsgärtner anlegen, wenn sie so weitermachen. Die Symbolpflanze für das "ewige Leben" ist, wenn es denn nach ihnen ginge, das Gewächs mit dem unschönen Namen "Haus-, Dach- oder Donnerwurz". Der lateinische Name für Hauswurz lautet Sempervivum und spielt damit auf das ewige Leben an.

Aber im gemeinen Volksglauben und -aberglauben hatte Sempervivum eine ziemlich weltliche Funktion. Die deutsche Mystikerin Hildegard von Bingen empfahl zeugungsunfähigen Männern in Ziegenmilch eingelegten Hauswurz zur Stärkung ihrer virilen Standfestigkeit. Dafür wie für das ewige Leben kommt der Hauswurz wohl zu spät.

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