Die Wahrheit: Fäuste aus Beton

Seine kleinsten Kater sind schlimmer als die Rezession in Griechenland. Er ist einer von uns: Hannes Katz – der ganz andere Bundespräsident.

Hannes Katz in Aktion: Der Ehrenpolier und neue Bundespräsident trötet denen da oben die Meinung. Bild: reuters

Er hat es gern schwer, das sieht man ihm an. Schwer hängt ihm der fleckige Blaumann über die schweren Stahlkappenstiefel, schwer geht der Atem seiner Zementstaublunge, schwer lasten die Lider über den Augen. Es sei denn, eine junge Blondine passiert seinen Weg. Dann wird Ehrenpolier Hannes Katz, 49, ganz leicht, die Augen reißen auf wie eine Wetterplane, und seine schweren Lippen verjüngen sich zu einem Pfiff, der durch die Straßen schrillt wie die Sirene des Panzerkreuzers "Potemkin" vor dem Sturm auf die Bastille.

Dieser Mann hat viele Leben gelebt, bis zum Exzess. Dabei starb er auch viele Tode, bitter und grausam wie ein Bier ohne Schaum. Das will er gar nicht verheimlichen: "Meine kleinsten Kater", sagt Katz, "sind schlimmer als die Rezession in Griechenland. Aber ich hab mir die erarbeitet! Ich weiß nicht, ob irgendein Grieche da mitreden kann." Dieser scharfe analytische Verstand überrascht bei einem eher grobschlächtigen Mann wie ihm. Aber auf Hannes Katz trifft zu, was die Auguren ebenso wie die meisten Bürger sich für das neue Staatsoberhaupt wünschen: Er ist einer von uns. Vielleicht macht ihn das so schwer, so gewichtig.

Seit dem Rücktritt von Bundespräsident Gauck in der vergangenen Woche denken Parteistrategen das schier Undenkbare: Ein "Niemand" soll das beschädigte Amt vor dem Untergang bewahren. Gauck hatte bei seinem Antrittsbesuch in Polen den "Damen und Herren Usurpatoren" verkündet, ab sofort sei die Oder-Neiße-Grenze hinfällig, was er übrigens immer schon gesagt habe. Den konsternierten Gastgebern riet er, schon mal mit dem Packen zu beginnen. Dabei würde ihnen eine tüchtige Vertreibungsexpertin, nämlich seine gute Freundin und neue Referentin für Revisionsfragen, die CDU-Politikerin Erika Steinbach, gern auf die Sprünge helfen. Die unschönen Bilder von Gauck, der nach der Eil-Amtsenthebung durchs Verfassungsgericht die Polizisten, die ihn zur stationären Behandlung abholten, als "stalinistische Schergen" und "Islamistenlümmel" bepöbelte, sind weiterhin Thema Nummer eins in der deutschen und internationalen Presse.

Die Suche nach einem unbelasteten Nobody begann bereits, als Gauck die ersten Seconal-Spritzen verabreicht wurden. Mit einem Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann brachte sich Hannes Katz ins Gespräch. Eigentlich hatte der Bild-Leser "aus Leidenschaft" nur fragen wollen, warum er beim Rubbelbingo noch nie gewonnen hat. Doch der gewiefte Journalist erkannte sogleich das Potenzial der "hackfleischgewordenen Alternative zum Politikbetrieb" (Diekmann). Geboren und aufgewachsen in der schleswig-holsteinischen Kreisstadt Itzehoe, kennt Katz sich aus in der Seele des Durchschnittsdeutschen. "Sehen Sie", sagt er mit verschwitztem Lächeln, "die Leute haben ganz einfache Wünsche. Ein Dach überm Kopf und dazu vier Wände mit Löchern zum Rauskotzen."

Jahrzehntelange Kämpfe mit den Widersprüchen zwischen Bauplan und Material, Wunsch und Witterung haben ihn eines gelehrt: "Die schönsten Richtfeste sind die, bei denen der Dachstuhl erst einstürzt, wenn alle einen gesoffen haben."

Heute lebt Hannes Katz in Elmshorn. Er fühle sich unter den Einheimischen wohl wie ein Fettauge in der Gulaschsuppe, sagt er. "Hier stehen die Menschen dazu, dass sie aussehen wie vom Kran gefallen. Da muss keiner Angst um die hübsche Visage haben, wenn es auf dem Jahrmarkt zur Sache geht." Lachend zeigt er seine "Trophäen": drei goldene Schneidezähne oben, zwei vergoldete Brücken im Unterkiefer. Kein Zweifel: Katz hat die Herausforderungen der Wettbewerbsgesellschaft angenommen - und bestanden. Deshalb überrascht es wenig, wenn er Kritikern des Kapitalismus eine klare Absage erteilt: "Wer zahlt, schafft an", sagt er und lobt das deutsche Pfandflaschensystem, "meine ganz persönliche Riester-Rente".

Dem bekennenden Provinzschädel ist nicht bang vor der Metropole Berlin. Glamourposen und Großmannssucht sind ihm fremd. Statt Kanapees will er bei Empfängen Mettbrötchen und Käsestullen servieren lassen. "Ohne Dreck unter den Fingernägeln kommt mir keiner ins Schloss", sagt Katz und schüttelt seine ytongsteingroßen Fäuste. Zweifellos - dieser Mann könnte die Mauern morschen Denkens einreißen und solide Brücken in das Morgen bauen. Auch wenn die hübsche Blondine, die er jetzt als "geiles Schnittchen" für sein Vorzimmer engagieren will, ihm einen Vogel zeigt - das skandalmüde Volk wird in Hannes Katz finden, was es verdient hat.

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