Kolumne die Warhheit: Mietfeigen für feige Mieter

Noch stärker als die Liebe zu einem gepflegten Garten mit kurzgeschorenem Rasen, seltenen Rosenbüschen und Obstbäumen ist beim Engländer die Furcht vor Schadensersatzklagen.

Noch stärker als die Liebe zu einem gepflegten Garten mit kurzgeschorenem Rasen, seltenen Rosenbüschen und blühenden Obstbäumen ist beim Engländer die Furcht vor Schadensersatzklagen. So erklärte der Stadtrat von Crawley, einer Kleinstadt 50 Kilometer südlich von London, den verblüfften Bürgern, dass ihr Müll vorerst nicht abgeholt werde. Es hatte im Februar ein wenig geschneit, und die Männer von der Müllabfuhr hatten Angst, auszurutschen. Durch die glatten Hauseinfahrten sei die Arbeit der Müllabfuhr ohnehin erheblich verlangsamt, sagte ein Sprecher des Stadtrats, und einige seien bei dem Versuch, die Müllsäcke einzusammeln, bereits hingefallen. Deshalb seien die Männer angewiesen, nicht aus dem Lastwagen auszusteigen, wenn der Gehweg glatt aussehe. Eine Anwohnerin sagte: „Man sollte meinen, dass man von ihnen verlangt, auf den Nanga Parbat zu klettern. Ich schaffe es jeden Tag zur Arbeit in der Londoner City, und die Müllmänner schaffen es nicht mal meine Einfahrt hinauf?“

Der Engländer ist eben nicht wintertauglich. Aber man kann nicht nur auf Schnee ausgleiten, so vermutet der Stadtrat von Croydon in der Nähe von Crawley. Er ließ sechs Meter hohe und 30 Jahre alte Ebereschen abholzen, damit niemand auf ihren Früchten, den Vogelbeeren, ausrutschen und sich ein Bein brechen kann. Eine einzige Anwohnerin hatte sich über die Beeren auf dem Fußweg beschwert, ihre Nachbarn sind über den Kahlschlag entsetzt. Manche verlangen eine Änderung des Straßennamens. Bisher lautet er Ashwood Gardens, doch von „Ash“, der Esche, könne keine Rede mehr sein, und von „Gardens“ erst recht nicht. Die Straße ist eine Betonwüste.

Parlamentarier haben es auch gerne grün, aber sie wollen vorsichtshalber keine Verantwortung für irgendwelche Pflanzen übernehmen. So mieten sie lieber welche. Ihre Büros und ihre Cafeteria befinden sich im Portcullis House gegenüber vom Westminster-Parlament. Für das Atrium bestellten die Volksvertreter zwölf Feigenbäume. Das Volk zahlt 32.500 Pfund im Jahr fürs Blumengießen. Das macht 325.000 Pfund, seit das Gebäude vor zehn Jahren in Betrieb genommen wurde. Auch in Zeiten der Rezession, wenn die Bevölkerung den Gürtel enger schnallen muss, möchte man es beim Regieren ja etwas gemütlich haben. Für das Geld hätte man einen ganzen Feigenhain bekommen, und es wäre noch genug übrig geblieben, um jemanden als Blumengießer einzustellen. Selbst zur Gießkanne zu greifen, ist den feigen Mietern der Parlamentsbüros zu gefährlich. Vielleicht sind ja Wasser- oder Feigenallergiker unter ihnen. Was das an Schadensersatz kosten würde!

Außerdem kommt es in Anbetracht der Baukosten für Portcullis House auf ein paar hunderttausend Pfund für die Begrünung nicht an. Der Bau, der ursprünglich auf 165 Millionen veranschlagt war, kostete am Ende 235 Millionen. Hinzu kamen die Bronzeverkleidung der Fassade für 30 Millionen und Eichenpaneele für 100.000 Pfund. Mögen die Parlamentarier auf den Mietfeigen ausglitschen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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