die Wahrheit : Myrrhe und Crackrauch

„Eure Heiligkeit, diese junge Dame hier ist eine sogenannte Cracknutte“, ...

Monsignore Georg Gänswein versorgt den Pontifex in Mexiko mit einer ordentlichen Dosis Lokalkolorit. Bild: reuters

... mühte sich der Privatsekretär des Papstes, Georg Gänswein, mit dem ungewohnten englischen Wort. Der Pontifex musterte mit seinen leicht ermüdeten blauen Augen neugierig das ihm bisher unbekannte Exemplar göttlicher Schöpfung.

„Eine reizende Erscheinung“, nuschelte Papst Benedikt schließlich anerkennend und fragte mit sanfter Stimme: „Ich nehme an, Sie sind katholischen Glaubens?“ – „Qué? El viejo – es un loco?“, fragte die Frau hingegen Georg Gänswein, der sich beeilte dem Papst zu versichern, dass dem natürlich so sei.

Die Frau nestelte fahrig an ihren Netzstrümpfen und schaute das Kirchenoberhaupt misstrauisch aus schwarz unterränderten Augen an. Ihr glasiger Blick ließ erahnen, dass sie intensiv darüber nachzudenken schien, ob die letzte Dosis doch etwas zu heftig gewesen oder dieser Mann einfach nur komisch angezogen war. Sie entschied sich offensichtlich für Letzteres und begann obszön zu gestikulieren, da sie einen potenziellen Kunden witterte.

Vicente Calles, der Pressesprecher des Drogenkartells Sinaloa, beendete an dieser Stelle vorsichtshalber ihre Papstaudienz. Mit einem Kopfnicken bedeutete er seinen Männern, die Frau aus dem Saal zu begleiten. Fasziniert blickte ihr der Papst hinterher.

Auf seiner Lateinamerikareise wollte sich Papst Benedikt ein umfassendes Bild von Land und Leuten machen. Und dazu, besonders in Mexiko, gehöre nun einmal der Besuch eines der zahlreichen Drogenkartelle, die außerdem gar nicht so unähnlich dem Vatikan organisiert seien, erläuterte Georg Gänswein.

„Die strukturellen Ähnlichkeiten sind verblüffend! Strenge Hierarchie, eigene Leibgarde und undurchsichtige Geschäftsbeziehungen – wie bei uns!“ Beide Systeme funktionierten außerdem über ein ähnliches Sanktionsprinzip. „Während es bei uns bei Fehlverhalten ’Fegefeuer‘ heißt, heißt es bei den Jungs hier eben ’Kopf ab‘ “, analysierte Gänswein treffsicher und ergänzte, dass die Mexikaner da einfach pragmatischer seien.

Vicente Callas hatte mittlerweile Projektor und Leinwand aufgebaut und kündigte eine Powerpoint-Präsentation über „Sanktionsmaßnahmen bei personellem Fehlverhalten“ an. Gänsewein zückte begeistert sein Notizbuch. „Wir sind ja hier, um voneinander zu lernen!“, erklärte er.

Die katholische Kirche habe in Zeiten der Inquisition auch selbst positive Erfahrungen mit körperlicher Züchtigung gemacht, die bekanntermaßen in manchen katholischen Einrichtungen bis heute erfolgreich praktiziert würde. „Sich hier bei den Fachmännern inspirieren zu lassen und zu Hause die eine oder andere neue Praktik einzuführen, das könnte sicherlich dabei helfen, die vielen Kirchenaustritte zu minimieren.“

Nach Ende des Vortrags führten Calles Männer mehrere kleine Jungen in den Raum. Vicente Callas begann Papst Benedikt, dem besonders der Schutz Minderjähriger am Herzen liegt, zu erklären, was das Kartell im Bereich Jugendschutz und Jugendförderung alles leiste. „Die hatten nichts! Prügelnde Eltern, bittere Armut, keine Ausbildung!

Wir hingegen sehen das Potenzial der kleinen Racker. Wir bilden seit Jahren erfolgreich in Ballistik, Schmuggeltechniken und Nahkampf aus. Die Jungen starten hier in einem Job mit Aufstiegsmöglichkeiten – vom Kurier zum Boss, das hat es alles schon gegeben.“ Die sonst so zurückhaltende Heiligkeit applaudierte begeistert über so viel gesellschaftliche Verantwortung.

Als Höhepunkt des Mexikobesuchs stand dann der Besuch der botanischen Gärten des Sinaloa-Kartells an, auf die sich der Pontifex schon seit Beginn der Reise gefreut hatte. Benedikt war von so viel Gärtnerkunst überwältigt: „Diese Gewächse mit den roten Früchten, würden die sich nicht vorzüglich in unserem heiligen Garten machen?“, raunte er Gänswein zu, und Callas versicherte, dass das überhaupt kein Problem sei. Es war eine durch und durch freundschaftliche Atmosphäre, in der das Treffen stattfand.

Einen kleinen Zwischenfall gab es dann allerdings doch noch. Als Benedikt zum Abschluss seines Mexikoaufenthalts mit dem Papamobil durch den Bicentenario-Park von Léon fuhr, wurde er unplanmäßig von der Polizei angehalten. Sie fanden zwei Kilogramm pures Kokain, dass der Pontifex unter seiner weißen Robe versteckt hatte. Aber das Kirchenoberhaupt konnte glaubhaft versichern, dass sei nur heilige Asche von besonderen mexikanischen Palmzweigen und sei ein Mitbringsel für seinen anstehenden Kubabesuch.

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