Experten für Sprengstoff und Bakterien: Trainierte Ratten riechen Landminen

Riesenhamsterratten sind eine Wunderwaffe gegen Landminen: Dank ihres Riechers können sie Sprengkörper präzise aufsuchen. Auch für die Medizin sind die Nager nützlich.

Äußerst nützlich: Die Gambia-Riesenhamsterratte ist zu leicht, um Minen auszulösen. Bild: dpa

Astrid drückt ihre spitze Nase an das kleine Loch im Metallboden. Nach einigen Sekunden klickt es und sie rennt ans Ende des gläsernen Kastens, wo ein Brocken Avocado als Belohnung auf sie wartet. Die Gambia-Riesenhamsterratte (Cricetomys gambianus) hat sich den Leckerbissen verdient, weil sie gerade in einer Schleimprobe die Tuberkulose (TBC) auslösenden Mykobakterien entdeckt hat.

Astrid arbeitet mit Artgenossen für "Apopo", eine tansanisch-belgische Organisation, die Ratten dafür ausbildet, unter anderem TBC und Landminen aufzuspüren. Das perfekte Riechorgan der Tiere ist das Instrument dafür. Wöchentlich bekommt Apopo auf dem Gelände der Universität des tansanischen Städtchens Morogoro mehrere hundert Schleimproben von einem halben Dutzend Krankenhäusern im Land.

Die Proben sind schon auf TBC getestet. Die Ratten beschnüffeln sie noch einmal. "Astrid und ihre Kollegen bestätigen nicht nur die Resultate", erzählt Hannah Ford von Apopo stolz. "Sie entdecken pro Woche zwischen fünf und zehn weitere Infektionen. Die werden dann noch mal im Labor getestet, und meistens haben die Ratten recht."

Ein Tuberkulosepatient infiziert durchschnittlich zehn bis fünfzehn Menschen pro Jahr. 30 Prozent aller TBC-Fälle auf der Welt treten in Afrika auf. Dort gibt es auch die meisten Tuberkulosetoten. Patienten haben oft kein Geld für Arztbesuche und Medizin.

Schneller als Experten

Der Einsatz der Ratten sorgt dafür, dass die Krankheit schneller erkannt wird und damit die Ansteckungsgefahr beizeiten verringert werden kann. Menschliche Experten brauchen zwei Tage, um mehr als vierzig Schleimproben zu prüfen, eine Ratte schafft das in sieben Minuten.

Apopo trainiert Ratten schon seit mehr als zehn Jahren. Trotzdem werden die Tierchen noch immer nicht weltweit eingesetzt. "Das Wort Ratte weckt Widerwillen bei vielen. Aber diese Gambia-Riesenhamsterratten sind intelligente, liebe Tierchen, die gerne gestreichelt werden", meint Hannah Ford, während eines der Tiere ihre Hand leckt.

Während Astrid drinnen arbeitet, muss Kollegin Femi auf einem Testgelände ihre Leistung zeigen. Das Training für das Aufspüren von Landminen geschieht morgens in der Frühe, bevor es zu warm wird - Ratten sind Nachttiere.

Femi versucht dem feuchten Gras auszuweichen. Nasse Pfoten sind nicht ihre Vorstellung von einem guten Start in den Tag. Aber als sie ihre erste Landmine entdeckt und als Belohnung ein Stück von einer Banane bekommt, vergisst sie ihre Abneigung. Sie rennt in ihrer Halterung hin und her und findet in Windeseile alle Landminen in dem markierten Gebiet. In den deaktivierten Minen steckt der Sprengstoff TNT. Den können die Ratten riechen.

Akkreditierung nur für perfekte Leistungen

Die Tiere werden nach internationalen Standards getestet und akkreditiert. Um zertifiziert zu werden, müssen sie ein 100-Prozent-Ergebnis erreichen. Danach können sie eingesetzt werden, zum Beispiel um Landminen im benachbarten Mosambik zu suchen.

Ungefähr eine Million Quadratmeter in dem einstigen Bürgerkriegsland werden dieses Jahr von den Ratten beschnüffelt. Jede gefundene Mine wird durch Menschen entschärft. Nächstes Jahr reisen Femi und ihre Kollegen nach Angola. Dort wurden während des 30-jährigen Bürgerkrieg bis 2002 nach Schätzungen 6 bis 20 Millionen Landminen verlegt.

Ratten sind zu leicht, um Landminen zu aktivieren und zur Explosion zu bringen. Alles, was schwerer ist als fünf Kilogramm, aktiviert Landminen - also Menschen und Vieh. Keine einzige Ratte von Apopo wiegt mehr als das Rattennormalgewicht von 1,5 Kilogramm.

"Auch im Minenfeld arbeiten Ratten schneller als Menschen. Innerhalb von 20 Minuten kann so ein Tier hundert Quadratmeter auf Landminen durchsuchen. Ein menschlicher Experte braucht dafür zwei Tage", sagt Hannah Ford.

Wenn Femi fertig ist, wird ihre Halterung losgemacht. Sie läuft nicht weg. Sie hopst hinter Trainer John Mosha zu ihrem Transportkäfig zurück. "Sie weiß, dass sie von mir zu essen bekommt. Das ist der ganze Trick von dem Training. Wenn sie gute Arbeit leistet, kriegt sie ihr Bäuchlein voll. Wenn nicht, muss sie warten, bis sie wieder zu Hause ist, um gefüttert zu werden."

Die Fähigkeiten der Ratten sind längst nicht voll erforscht. In Morogoro gibt es schon die nächsten Versuche: das Aufschnuppern von Salmonellen.

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