„Porsche baut eigentlich keine Autos“

Schnelle Wagen sind Statusmarkierungsprodukte, sagt Mobilitätsexperte Hans-Jochen Luhmann. Deshalb werden Gelände- oder Sportautos sogar umso attraktiver, je teurer sie werden. Der Umwelt nützen Abgaben auf CO2-Schleudern also wenig

HANS-JOCHEN LUHMANN, Jahrgang 1946, leitet die Abteilung für Grundsatzfragen beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

INTERVIEW STEPHAN KOSCH

taz: Herr Luhmann, die Bundesregierung will die Höhe der Kfz-Steuer künftig vom CO 2 -Ausstoß abhängig machen. Umweltschützer setzen noch eins drauf und fordern eine Sonderabgaben für Geländewagen und andere Spritschlucker. Sie halten das nicht für die beste Lösung. Warum?

Hans-Jochen Luhmann: Weil dabei ein entscheidender Mechanismus übersehen wird: Wer mit einem Geländewagen in der Stadt herumfährt, will zeigen, dass er sich mehr leisten kann als andere. Und dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn das Autofahren proportional teurer wird. Die Oberklasse gewinnt noch mehr „Abstand“, weil weniger Menschen sie sich leisten können.

Immerhin, am Ende fahren weniger Spritschlucker herum.

Nicht unbedingt. Die unteren Klassen werden versuchen, mit der Zeit den Konsumenten der Oberklasse nachzufolgen. Wer die Kosten am oberen Ende erhöht, verstärkt den Sog. Mittelfristig wird sich alles nach oben parallel verschieben, und am Ende würden im Schnitt größere Autos gefahren als bisher.

Die Nachfrage steigt also mit steigenden Kosten? Das widerspricht klassischen ökonomischen Theorien.

Stimmt aber in diesem Falle dennoch, weil wir es mit Statussymbolen und Demonstrationskonsum zu tun haben. Porsche baut eigentlich keine Automobile im funktionalen Sinne. Porsche ist Hersteller eines Statusmarkierungsprodukts …

in dem sich finanzielle Potenz in PS niederschlägt. Bedient das nicht archaische, unbewusste Prozesse, die nicht zu ändern sind?

Die Kulturgeschichte zeigt, dass das veränderbar ist. Nehmen Sie das protestantische Basel. Dort galt: Je schäbiger der Mantel war, den man in der Öffentlichkeit trug, umso höher war der soziale und finanzielle Status, der damit demonstriert wurde.

Klingt ziemlich verkopft. So ein Wertesystem braucht einen immens starken ideologischen Überbau – wie zum Beispiel eine Religion.

Nein, es geht um Emotionen. Diese übermotorisierten Fahrzeuge lösen ja Aggressionen aus.

Bei denen, die sie sich nicht leisten können.

Auch bei denen, die sich solche Autos leisten könnten, aber ein Problembewusstsein haben. Geländewagen sind allein wegen ihrer Größe bedrohlich für Fußgänger oder Radfahrer. Das Gefährdungspotenzial bei einem Unfall ist doch viel höher als bei einem Kleinwagen. Und wer den Klimawandel als reales Problem sieht, empfindet Autos mit hohem CO2-Ausstoß ebenfalls als Bedrohung.

Was schlagen Sie vor?

Eine Obergrenze für die Leistung von Pkws. Der Berichterstatter des Umweltausschusses im Europaparlament, Chris Davies, hat kürzlich gefordert, dass ab 2013 nur noch Neufahrzeuge eine Zulassung erhalten sollen, die maximal 162 Kilometer pro Stunde fahren können. Das würde ein erhebliches Effizienzpotenzial freisetzen, weil die Autos viel „leichter“ konstruiert werden könnten.

Und was wird aus unseren Statussymbolen?

Die wird es weiter geben, das ist ein nur allzu menschliches Bedürfnis. Aber die Hersteller müssten alternative Symbole kreieren, die teuer und gleichzeitig CO2-arm sind.

Nächste Woche will das Kabinett seine neuen Steuerpläne beschließen. Alles vergebliche Liebesmühe?

Die Einführung einer CO2-abhängigen Kfz-Steuer allein greift zu kurz. Sie vernachlässigt die anderen Treibhausgase, die zum Beispiel in den Klimaanlagen stecken. Zudem wird ja über das Ende des Steuerprivilegs für verbrauchsstarke Dienstwagen gestritten. Das wäre ein wichtiger Schritt. Mehr als die Hälfte aller Neufahrzeuge wird an Firmen und Institutionen verkauft.

Und die sollen künftig lieber Kleinwagen kaufen?

Zumindest sollten sie sich ihr Bedürfnis, mit großen Autos Status zu zeigen, nicht vom Steuerzahler finanzieren lassen.