Die Finanzkrise erreicht China und Indien

Globale Folgen der Finanzkrise: Das chinesische Wirtschaftswachstum fällt überraschend niedrig aus. Indien senkt Leitzinsen. Die Niederlande helfen der ING-Bank mit 10 Milliarden Euro. Schweden beschließt Rettungspaket mit 152 Milliarden Euro

BERLIN dpa/rtr/ap/taz ■ Die niederländische Bank- und Versicherungsgruppe ING ist nun auch in den Strudel der Finanzmarktkrise geraten. Nach Bekanntwerden von Milliardenverlusten und einem starken Einbruch des Aktienkurses am Freitag erhält der Mutterkonzern der ING-Diba eine staatliche Kapitalspritze von 10 Milliarden Euro. Das teilte der niederländische Finanzminister Wouter Bos Sonntagnacht in Amsterdam mit. Der Aktienkurs erholte sich daraufhin zum Handelsstart am Montag um mehr als 20 Prozent und lag nachmittags immer noch 8,5 Prozent im Plus.

Der Staat wird den Angaben zufolge eine Milliarde stimmrechtslose Aktien der ING, zu der auch die größte europäische Direktbank INGDiBa gehört, für 10 Euro pro Stück erwerben. Auf die Aktien soll es eine garantierte Dividende von mindestens 8,5 Prozent geben. Die Bank kann die Aktien für 15 Euro pro Stück zurückkaufen. Bos sagte, damit sei der Anreiz für die ING groß, die Aktien zurückzukaufen und den Staat als Aktionär zu verabschieden, „sobald sich dieser finanzielle Hurrikan legt“.

Ein Sprecher der INGDiba betonte am Montag, dass es sich bei dem Frankfurter Institut um eine deutsche Bank nach deutschem Aktienrecht handele. Die Einlagen der Kunden seien durch die deutschen Sicherungssysteme geschützt. Die Bank erwäge auch nicht, das vom deutschen Staat angebotene Eigenkapital in Anspruch zu nehmen.

Mit Schweden hat ein weiteres europäisches Land ein Rettungspaket für seine Finanzbranche geschnürt. Wie die Regierung in Stockholm erklärte, will sie ihren in Not geratenen Banken mit einem Programm in Höhe von 1,5 Billionen Kronen helfen – das sind umgerechnet rund 152 Milliarden Euro. Aus diesem Topf soll Banken mit Liquiditätsengpässen Kredite gewährt werden. Sie müssen dazu aber Beschränkungen bei Lohnerhöhungen und Manager-Boni in Kauf nehmen. Zusätzlich will die Regierung einen Stabilitätsfonds im Umfang von 15 Milliarden Kronen (1,5 Milliarden Euro) ins Leben rufen. Er soll angeschlagene Banken vor der Insolvenz retten.

Die Finanzkrise hat unterdessen das Wirtschaftswachstum in China unerwartet deutlich abgebremst. Zwischen Juli und September nahm die Wirtschaftsleistung nach offiziellen Angaben vom Montag nur noch um 9 Prozent zu. Seit Anfang des Jahres summiert sich das Wachstum auf lediglich 9,9 Prozent. Damit steuert die Wirtschaft der Volksrepublik auf das schwächste Jahr seit 2002 zu. Experten gehen nun davon aus, dass die Regierung in Peking das Wachstum mit einem Konjunkturprogramm ankurbelt.

Spürbar ist die Finanzkrise auch in Indien. Die Zentralbank des Landes hat jetzt erstmals seit vier Jahren ihren Leitzins gesenkt, und zwar um 100 Basispunkte auf 8,0 Prozent. „Wegen der internationalen Verflechtungen macht sich auch in den Ländern, die außerhalb des Epizentrums der Krise liegen, Unsicherheit breit“, teilte die Notenbank mit. Trotz des Einschreitens vieler Länder sei die Stimmung am Finanzmarkt immer noch angespannt, hieß es weiter. Die Engpässe an den Finanzmärkten belasten das Wachstum in Indien zunehmend. So haben etwa Fluggesellschaften Schwierigkeiten, sich mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Auch der Immobilienmarkt schwächelt, Makler bieten bei Wohnimmobilien bereits starke Preisnachlässe. Zudem legte die indische Industrieproduktion im August so wenig zu wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Auf Anstoß von Deutschland und Frankreich beraten am heutigen Dienstag rund zwanzig Länder in Paris über ein Vorgehen gegen Steueroasen; Teilnehmer sind unter anderem Dänemark, Großbritannien und Australien. Die USA nehmen an dem Treffen allerdings nicht teil. ROT