Bericht über Morsleben hilft Castor-Gegnern

Weil Angela Merkel Kritik am Lager in Morsleben ignoriert hat, fühlen sich die Kritiker von Gorleben gestärkt

BERLIN taz ■ Die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Zusammenhang mit dem atomaren Endlager Morsleben hat den Protesten gegen die Castortransporte nach Gorleben neue Brisanz verliehen.

„Die Politik hat in Morsleben nur auf die Atomindustrie gehört“, sagte Jochen Stay von der Anti-Atom-Initiative X-tausendmal quer am gestrigen Montag der taz. „Das lässt für die weitere Endlagersuche nichts Gutes hoffen. Was wir in Morsleben erlebt haben, das wird in Gorleben erneut versucht.“ Am Wochenende war bekannt geworden, dass Angela Merkel in den Neunzigerjahren den Weiterbetrieb des Endlagers in Morsleben durchsetzte und dabei Kritik von Experten ignoriert hatte. „Inzwischen ist die Anlage einsturzgefährdet“, erklärte Stay.

Wie der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, erklärte Merkel im Jahr 1995 – damals Bundesumweltministerin unter der Regierung Kohl –, das Endlager Morsleben weise „kein Sicherheitsdefizit“ auf und es sei unnötig, „die Einlagerung radioaktiver Abfälle zu unterbrechen“. Dabei hätten schon 1971 DDR-Gutachter festgestellt, dass Morsleben „wahrscheinlich keine ausreichende Standsicherheit erwarten“ lasse. Im Jahr 1991 habe zudem die Gesellschaft für Reaktorsicherheit davor gewarnt, das alte DDR-Endlager weiterzunutzen.

Merkel hingegen habe sich darum ebenso wenig gekümmert wie um die Kritik des Landes Sachsen-Anhalt. Das Land habe vielmehr ohne ihre Zustimmung keine weiteren Auflagen erlassen dürfen.

Seit 1998 wird kein Müll mehr in die ehemalige Salzgrube eingelagert. Dafür kommen jetzt enorme Kosten auf den Steuerzahler zu. 2,2 Milliarden Euro soll für die Stilllegung Morslebens ausgegeben werden. „Alle bisherigen Versuche, durchgeführt mit schwachradioaktivem Müll, sind grandios gescheitert“, erklärte Stay.

Neben Morsleben sei auch das westdeutsche Lager Asse durch einsickerndes Wasser gefährdet. Damit sei auch der Salzstock Gorleben als mögliches Endlager „verbrannt“, da die Asse Vorbild für Gorleben gewesen sei. Als Konsequenz forderte Stay einen sofortigen Atomausstieg. „Jede Frittenbude, die das Fett nicht anständig entsorgt, kriegt die Lizenz entzogen.“

Stay setzt seine Hoffnungen in eine Renaissance der Anti-Atom-Bewegung. Erste Bewährungsprobe könnten die Proteste gegen den Castortransport werden. Vom 8. bis 10. November soll Atommüll aus Frankreich nach Gorleben rollen. Vertreter der örtlichen Anti-Atom-Gruppen erwarten mehr Demonstranten als in den Vorjahren. Auf Zahlen wollen sie sich nicht festlegen, die niedersächsischen Grünen gehen aber von über 10.000 Teilnehmern aus.

Die bundesweite Demonstration am 8. November soll das ungelöste Endlagerproblem in den Mittelpunkt rücken, sagt Francis Althoff von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Für die Tage danach haben die Initiativen Widersetzen und X-tausend mal quer Blockaden auf Schiene und Straße angekündigt.

FELIX WERDERMANN

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