Terrorkeule nach Atomprotest

Frankreich ermittelt gegen Autonome, die beim Castor-Transport Anschläge auf Bahnstrecken verübt haben sollen. Kritiker sehen „Sicherheitshysterie“

PARIS taz ■ Einen Monat nach dem Castor-Transport von der Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben sitzen zwei französische Autonome noch immer in Haft. Im Zusammenhang mit einer Serie von Sabotageakten an französischen Bahnstrecken wird gegen sie wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung mit terroristischen Absichten“ ermittelt. Sieben weitere junge Leute, die nach einer Großrazzia Mitte November an verschiedenen Orten Frankreichs festgenommen worden waren, sind inzwischen wieder frei.

In der Nacht zum 8. November waren gleichzeitig in Deutschland und Frankreich Sabotageakte auf Bahnanlagen und Zugstrecken verübt worden – während des Castor-Transports, aber auf anderen Strecken. In Frankreich waren durch Hakenkrallen, die die Oberleitungen zerstören, 160 Züge verspätet. In einem Bekennerschreiben mit dem Titel „Weil wir es satt haben“, das im November bei der taz einging, hatten Atomgegner die Verantwortung übernommen: „Mit Brandanschlägen und Hakenkrallen (…) haben wir heute im Frühtau unsere Wut an die Atomtransportstrecken getragen.“ Unterschrieben ist der Brief ohne Logo mit „In Erinnerung an Sébastian“ – so hieß der Atomkraftgegner, der 2004 beim Protest gegen einen anderen deutsch-französischen Transport ums Leben kam. Offenbar wurde die Gruppe seit mehr als sechs Monaten Tag und Nacht observiert. Ein Bericht der auf Terrorfälle spezialisierten Pariser Staatsanwaltschaft listet Demonstrationen in New York, in Evian und in Vichy auf, an denen einzelne Festgenommene teilgenommen haben sollen. Letztere bestreiten jede Beteiligung an den Sabotageakten gegen die SNCF. Gérard Coupat, Vater des weiterhin inhaftierten Hauptverdächtigen Julien, sagt: „Es ist wahrscheinlich, dass die Sabotageakte von ganz anderen Leuten gemacht wurden. Die französische Regierung nutzt sie jetzt, um zu beweisen, dass es einen inneren Feind gibt.“ Dies vermuten auch zahlreiche Abgeordnete linker Parteien, die die gegenwärtige „Sicherheitshysterie“ für die Kriminalisierung der jungen französischen Autonomen verantwortlich machen.

DOROTHEA HAHN