Große Koalition zerstritten: Kaum Hoffnung auf Umweltgesetzbuch

Der Naturschutzbund glaubt nicht mehr, dass CDU und SPD das zersplitterte Umweltrecht zusammenfassen. In den Bundesländern drohen nun weichere Regelungen.

Umweltsünde Straßenbau: Ein Umweltgesetzbuch hätte die Natur besser davor schützen können. Bild: dpa

BERLIN taz Es war der Traum der Umweltorganisationen: Das Umweltgesetzbuch (UGB) sollte Dutzende Einzelgesetze zusammenfassen, die den Schutz der Natur regeln. Für ein Bauprojekt etwa sollte nur noch ein Antrag bei den Behörden nötig sein - statt verschiedene je nach Bau-, Lärmschutz- oder Abgasrecht. Nebenbei, so das Kalkül der Aktivisten, hätte man das Recht zugunsten der Umwelt verschärfen können. Der Naturschutzbund (Nabu) hat diese Hoffnung am Mittwoch begraben. "Die Arbeiten zu dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Umweltgesetzbuch sind gescheitert", erklärte der Verband. Denn in der wöchentlichen Kabinettssitzung weigerte sich die Bundesregierung abermals, einen Entwurf für das UGB zu verabschieden.

Der erbitterte Streit zwischen den Koalitionären von Union und SPD über das Vorhaben tobt schon seit Jahren. Aber nun geht ihnen die Zeit aus. Schließlich wird im September 2009 ein neuer Bundestag gewählt. Mittwoch war laut Nabu der letzte Termin, um das Mammutprojekt noch in dieser Legislaturperiode erfolgreich abzuschließen.

Das Umweltministerium dementiert das nur noch halbherzig. Sprecher Tobias Dünow sagt zwar: "Das UGB ist nicht gescheitert. Wir peilen jetzt einen Kabinettsbeschluss am 14. Januar an." Aber Dünow ergänzt, er könne nicht einschätzen, ob das wirklich klappe. Auch nicht, ob das Parlament bereit wäre, schneller über einen Regierungsentwurf zu entscheiden, als bisher geplant war. "Wir wollten ja schon vor einem Jahr im Kabinett sein", berichtet der Sprecher von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

Die Rechtsexpertin der Deutschen Umwelthilfe, Cornelia Nicklas, gibt sich zwar nicht ganz so pessimistisch wie der Nabu, doch auch für sie ist es "unwahrscheinlich", dass das UGB in dieser Legislaturperiode Wirklichkeit wird. "Es ist nicht das Thema, das die Öffentlichkeit vom Hocker reißt." Deswegen würden die Politiker das Projekt wohl kaum im Schnellverfahren wie etwa den Rettungsschirm in der Finanzkrise durchs Parlament bringen. Wie der Nabu sieht Nicklas die Blockierer in der CDU/CSU. "Und wieso sollte sich die Union bald anders positionieren als jetzt?", fragt die Juristin.

Die Christdemokraten lehnen den Entwurf aus dem Umweltministerium ab, weil er Industrie und Landwirtschaft durch "bürokratische Auflagen" belaste. "Es gibt Forderungen, die wir noch nicht erfüllt sehen", sagte der agrarpolitische Sprecher Peter Bleser. Die Union will zum Beispiel verhindern, dass die Regel der "guten fachlichen Praxis" im aktuellen Naturschutzrecht auch in das UGB übernommen werden. Sie hält Land- und Forstwirte unter anderem dazu an, auf Kahlschlag zu verzichten und an Feldrändern Hecken und Sträucher stehen zu lassen.

Zudem verlangt Bleser, dass etwa für den Bau einer Autobahn künftig nicht mehr an anderer Stelle Wald aufgeforstet werden muss. Statt solche Ersatzmaßnahmen umzusetzen, sollten die Verursacher von Umweltschäden lieber Geld zahlen können. Die Umweltlobby verurteilt das als "Ablasshandel", der die Behörden wegen der potenziellen Einnahmen sogar ermutige, Eingriffe zu genehmigen. Deshalb gab sich Gabriel in diesem Punkt auch unbeugsam. CDU-Mann Bleser formuliert das so: "Das Bundesumweltministerium ist sehr unbeweglich."

Selbst das Minimalziel, das geltende Recht lediglich zu vereinfachen und nicht zu verschärfen, könnte dem Nabu-Experten Jörg-Andreas Krüger zufolge nun in sein Gegenteil verkehrt werden: Jetzt würden Länder mit weniger umweltfreundlichen Regierungen in die Lücke stoßen, die ihnen der Bund lässt, und selbst weichere Regelungen verabschieden.

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