Vorwürfe von allen Seiten: Zumwinkel-Ermittlerin gibt auf

Die Bochumer Steuer-Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen quittiert ihren Dienst und wird Amtsrichterin. Ihr wird vorgeworfen, bei der Vergabe von Bußgeldern gemauschelt zu haben.

Lichtinghagen mit Deutsche-Post-Chef Zumwinkel im Februar diesen Jahres. Bild: ap

BOCHUM taz Frustriert von immer neuen Vorwürfen gibt die bekannteste Staatsanwältin Deutschlands auf: Margrit Lichtinghagen, Chefermittlerin im Skandal um Steuerhinterziehung über Liechtensteiner Stiftungen, verlässt zum 1. Januar die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft Bochum und wird Amtsrichterin. Lichtinghagen sei "zermürbt" und wechsele auf eigenen Wunsch, sagte eine Sprecherin der nordrhein-westfälischen Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) nach einer mehr als achtstündigen Krisensitzung.

Die Staatsanwältin, die im Februar den damaligen Postchef Klaus Zumwinkel vor laufenden Fernsehkameras verhaften ließ, wird damit Opfer eines Kleinkriegs. Der Leitende Oberstaatsanwalt Bernd Schulte wirft seiner prominenten Mitarbeiterin vor, bei der Vergabe von Bußgeldern an gemeinnützige Organisationen gemauschelt zu haben. So soll die klamme Privatuniversität Witten/Herdecke, an der auch eine Tochter der Ermittlerin studiert, seit 2003 mehrere Millionen Euro erhalten haben - da war die heutige Studentin allerdings noch in der neunten Klasse. Auch seien 1,5 Millionen Euro in Lichtinghagens Wohnort Hattingen verteilt worden, etwa an das Rote Kreuz und einen Förderverein für Suchtarbeit. Angewiesen wurde das Geld, das aus dem ersten Liechtenstein-Prozess vom Juli stammt, aber nicht von der Staatsanwältin, sondern von Gerhard Riechert, Vorsitzender Richter am Bochumer Landgericht. Lichtinghagen konnte lediglich Vorschläge zur Verwendung der Bußgelder machen.

"Gegen die Staatsanwältin wird nicht strafrechtlich ermittelt", betont deshalb Müller-Piepenkötters Sprecherin. Allerdings würden die Vorwürfe, die Lichtinghagens Chef Schulte in einem 64-seitigen Dossier festgehalten hat, weiter geprüft - ebenso wie Gerüchte, Bochumer Bußgeld sei auch für die Renovierung eines Rokokokirchleins geflossen, das Schultes Rotary-Club am Herzen liegt.

Die Opposition, die bei der Landtagssitzung am Donnerstag möglichen Einfluss der Landesregierung auf die Bußgeldvergabe aufklären will, wirft der Justizministerin deshalb Versagen vor. Müller-Piepenkötter sei "eher eine Justizmarionette", so SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger. Die Ministerin habe eine "Fürsorgepflicht" gegenüber der Ermittlerin, mahnt die grüne Innenpolitikerin Monika Düker.

Die Globalisierungskritiker von Attac gehen noch weiter. Lichtinghagen werde offenbar abgesetzt, um die Steuerhinterziehungsprozesse "im Sande verlaufen zu lassen", sagt Silke Ötsch von der Attac-Arbeitsgemeinschaft Steuern und Finanzmärkte. "Bei Steuerverfahren ist Deutschland eine Bananenrepublik: Für Wohlhabende und Einflussreiche gelten die Gesetze offenbar nicht."

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