Polen wärmt Atompläne wieder auf

Ministerpräsident Tusk kündigt Bau von neuen Meilern an. Als Argumente dienen ihm Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Doch in der Regierungskoalition sind diese Pläne umstritten. Vizepremier Pawlak will Biogas und dezentrale Versorgung

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Mit ein bis zwei Atomkraftwerken und einem Flüssiggas-Terminal will Polen von russischen Gas- und Ölimporten unabhängig werden. Zwar ist Polen vom russisch-ukrainischen Gasstreit kaum betroffen, da es sein Gas über die Jamal-Pipeline aus Weißrussland bezieht. Dennoch erklärte nun Polens Premier Donald Tusk die Energiesicherheit zur absoluten Priorität seiner Politik.

Allerdings: Die Reaktor-Pläne sind nicht neu. Sowohl Polens einflussreiche Atomlobby als auch konservative Politiker verkündeten in der Vergangenheit immer wieder einmal den angeblich kurz bevorstehenden Baubeginn von Atommeilern und Gashäfen. Bislang scheiterten jedoch alle Pläne an den hohen Kosten für beide Investitionen.

Diesmal jedoch scheinen geschätzte Kosten von rund 4 Milliarden Euro für den Atommeiler und rund 450 Millionen Euro für den Flüssiggas-Terminal die Regierung nicht zu schrecken. Schon im Dezember, nach der UN-Klimakonferenz in Poznań und dem darauf folgenden EU-Klimagipfel in Brüssel, hatte Donald Tusk erklärt, dass Polen seinen CO2-Ausstoß nur reduzieren könne, wenn es künftig in „saubere Energie“ investiere. Frankreich und Südkorea seien die bevorzugten Investitions-Partner. Klima- wie energiepolitisch sei Atomstrom für Polen der einzig sinnvolle Weg, da Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu teuer sei und daher nur einen minimalen Prozentsatz in der Energiebilanz ausmachen werde.

Nachdem Polens Regierung am Dienstag ein ganzes Paket mit kurz- und mittelfristigen Investitionen zum künftigen Energiemix in Polen geschnürt hatte, kam Donald Tusk noch einmal auf die Wunschpartner Frankreich und Südkorea zurück: „Wir werden zusammenarbeiten, um die preiswertesten, sichersten und fortgeschrittensten Technologien zu finden.“ Für die Atommeiler kämen neun Standorte in Frage. Darunter das nordpolnische Zarnowiec in der Nähe Danzigs, das rund 280 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt ist. Hier sollte zu sozialistischen Zeiten schon einmal ein Atomkraftwerk gebaut werden. Der Unfall im ukrainischen Tschernobyl im April 1986 mobilisierte allerdings eine so schlagkräftige Anti-Atomkraft-Bewegung wie in keinem anderen Ostblockland. Zurück blieb eine Bauruine.

Die Begeisterung des Premiers für Atomenergie teilen nicht alle in Polens Regierung. Waldemar Pawlak, Vizepremier, Wirtschaftsminister und Chef des Koalitionspartners PSL, würde lieber auf erneuerbare Energien setzen. Mehrfach schon strich er in der Öffentlichkeit die Vorteile von Biogas heraus, mit dessen Hilfe man günstig Strom und Wärme produzieren könne. Er plädiert für eine dezentralisierte Energieversorgung Polens. Statt einem oder zwei Atomreaktoren und einem Flüssiggasterminal sollten besser tausende kleine Biogasanlagen in der Nähe der Endverbraucher entstehen. Das sei ökologischer und effizienter.

Doch Umweltschutz wird von den meisten Polen während des wirtschaftlichen Aufholprozesses noch immer mit „Luxus“ gleichgesetzt, den sich nur reiche Länder leisten könnten. Selbst Polens linksliberale Zeitung Gazeta Wyborcza warb mit einer groß angelegten Artikelserie in den vergangenen Monaten für den Einstieg in die Atomenergie.