Luftverschmutzung wird durch Krise billig: Preise für CO2-Zertifikate gefallen

Die Preise für CO2-Zertifikate sind in den letzten Monaten stark gefallen. So ist Klimaschutz weniger rentabel.

Die Emissionszertifikate im europäischen CO2-Handel kosten derzeit keine 12 Euro mehr je Tonne. Bild: ap

FREIBURG taz Die Verschmutzung der Luft wird in Zeiten der Rezession für die Industrie immer billiger: Die Emissionszertifikate im europäischen CO2-Handel kosten derzeit keine 12 Euro mehr je Tonne. Im Sommer hatte der Preis noch bei bis zu 30 Euro gelegen. Alle großen Energieverbraucher in der EU müssen seit 2005 im Rahmen des Kioto-Protokolls für jede Tonne Kohlendioxid, die sie in die Luft blasen, ein entsprechendes Zertifikat vorweisen. Die Papiere werden unter anderem an der Energiebörse EEX in Leipzig gehandelt.

Der Hintergrund des aktuellen Preisverfalls liegt auf der Hand: Weil das energieintensive Gewerbe seine Produktion konjunkturbedingt gedrosselt hat, werden weniger Emissionszertifikate benötigt - ihr Preis sinkt. Hinzu kommt nach Einschätzung von Marktbeobachtern ein weiterer Effekt: Einige Unternehmen verkaufen ihre Zertifikate, die sie kostenlos zugeteilt bekamen, um sich kurzfristig Liquidität zu verschaffen. Sie tun das, weil sie aktuell von den Banken keine Kredite mehr bekommen. Allerdings ist das eine hochriskante, weil möglicherweise reichlich teure Art der Zwischenfinanzierung: Weil die Unternehmen die Zertifikate für ihre Produktion brauchen, werden sie diese in den nächsten Monaten oder Jahren am Markt wieder zurückkaufen müssen - womöglich zu deutlich höherem Preis.

Analysten nämlich halten den CO2-Preis aktuell für unterbewertet: "Gemessen an den fundamentalen Marktdaten sind die Zertifikate derzeit zu billig", sagt Ingo Ramming von Carbon Trade & Finance, einem Joint Venture von Dresdner Bank und Gazprombank. Ähnlich heißt es in einem Papier der Dresdner Kleinwort von Mitte Dezember, dass die Preise der Emissionszertifikate zuletzt einfach nur durch die Stimmung heruntergetrieben wurden; sie würden wieder emporschnellen, sobald "Fundamentalanalysen wieder die Oberhand gewinnen".

Kurzfristig könnten die Preise allerdings noch weiter fallen, schätzt Markus Kasten vom Beratungsunternehmen Gallehr + Partner. Bei 10 Euro je Tonne werde es jedoch "eine psychologische Grenze geben. Bis zum Ablauf der aktuellen Kioto-Handelsperiode Ende 2012 werde der Preis sich wieder bei mindestens 20 Euro einpendeln.

Auch aus politischer Sicht ist ein Tonnagepreis von mindestens 20 Euro wünschenswert. Denn etwa ab diesem Preis beginnt der Emissionshandel zu wirken, weil er klimafreundliche Technik für Unternehmen lukrativ macht. Und so passiert es bereits, dass Firmen angesichts des Preisverfalls der Emissionsrechte geplante Investitionen auf Eis legen: "Wir wissen, dass es Projekte gibt, die wegen der geringen Zertifikatepreise aufgeschoben werden", sagt Lena Kersten vom Stuttgarter Beratungsunternehmen Fichtner.

Ein wichtiger Aspekt für den Klimaschutz ist der Wechsel von Kohle zu Erdgas, "Fuel Switch" genannt. Auch dabei spielt der CO2-Preis eine große Rolle, denn je teurer das CO2 ist, umso eher lohnt sich der Umstieg. Bei den aktuellen Brennstoffpreisen liegt der Referenzpreis bei etwa 25 Euro je Tonne. Der Ausstoß von CO2 ist derzeit also zu billig, um Firmen zum Fuel Switch zu motivieren. Somit ist der Zertifikatepreis immer ein Maßstab dafür, wie erfolgreich die Klimaschutzpolitik der EU ist. Wenn der Preis für CO2-Zertifikate langfristig verfällt, hat die Politik versagt: Sie hat zu viele CO2-Papiere auf den Markt gebracht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.