Die Schönfärber von der Kohlelobby: Klimawandel? Kein Problem!

Der Lobby-Verband der deutschen Steinkohlebranche biegt in seinem Jahresbericht die Klimawissenschaft zurecht. Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf ist empört.

Kann den Kohle Sünde sein? Bild: ap

Nicht einmal im Weißen Haus sitzt mehr ein Klimaskeptiker. Selbst Shell und Vattenfall tun heute in großen PR-Kampagnen so, als seien sie Klimaretter. Man sollte meinen, dass endlich Konsens herrscht über die Gefahren der Erderwärmung und eines hohen CO2-Ausstoßes. Doch der Gesamtverband Steinkohle (GVSt), der Lobbyverein der deutschen Grubenunternehmen, setzt noch immer auf Leugnen und Verharmlosen.

Jedes Jahr gibt der Verband einen dicken Bericht heraus. Um Förderzahlen geht es darin und Tarifabschlüsse und Entwicklungen auf dem Weltmarkt. Auf einer Seite widmet sich der Jahresbericht 2008 auch der Klimawissenschaft . Wer diese liest, reibt sich die Augen. Nach den aufsehenerregenden Berichten des Weltklimarats IPCC 2007 sei in der Fachdiskussion "wieder Ruhe eingekehrt", behauptet die Steinkohlelobby. Dabei reißen die warnenden Forscherberichte über den sich beschleunigenden Wandel, abschmelzende Polkappen oder Methan, das aus Permafrostböden austritt, nicht ab.

Die globale Mitteltemperatur von "Mitte 2008" habe sich gegenüber "Anfang 2007 sogar um 0,5 Grad abgekühlt", heißt es zudem in der bunten Broschüre weiter. Solche kleinen Rückgänge aber sind überhaupt nicht ungewöhnlich im Klimasystem, der langfristige Erwärmungstrend ist ungebrochen. Der Kohleverband aber folgert aus dieser natürlichen Schwankung: "Es zeichnet sich ab, dass die extremen Szenarien des IPCC wohl sehr unwahrscheinlich sind. Treibhausbedingte Klimaänderungen haben eher am unteren Ende der vom IPCC genannten Bandbreite stattgefunden bzw. werden stattfinden." Die Aussage wird mit einer Grafik illustriert, in der sich eine blaue Linie (reale Messwerte) am unteren Rand eines großen, gelben Dreiecks (IPCC-Prognosen) entlangzackt.

Stefan Rahmstorf, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und einer der deutschen Mitautoren der IPCC-Reports, ist empört. Wissenschaftliche Erkenntnisse seien von der Kohlelobby "völlig falsch dargestellt" worden.

Zudem vergleiche der GVSt hier "Äpfel mit Birnen": Denn eine Gegenüberstellung zurückliegender Messdaten mit Prognosen für die Zukunft sage herzlich wenig. Die IPCC-Prognosen bezögen sich ja gerade auf Jahrzehnte, die anders sein werden als die zurückliegenden und in denen die steigende Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre zu höheren Temperaturen führen wird.

Detlef Riedel, der Sprecher des Steinkohleverbands, weist den Vorwurf zurück. Angesichts des hohen CO2-Ausstoßes der letzten Jahrzehnte, meint er, müsste es heute doch schon viel wärmer sein. Genau darauf habe man hinweisen wollen.

Doch Rahmstorf zählt in seinem Internetblog "Klima-Lounge" eine Reihe versteckter Fehler der Steinkohlelobby auf: Die IPCC-Szenarien seien durch falsche Umrechnung hochgeschraubt worden. Dem wird eine einzelne Messreihe der Universität von Alabama entgegengesetzt, die sich auf Temperaturen in der Troposphäre bezieht. Diese aber lägen stets niedriger als an der Erdoberfläche. Im Ergebnis suggeriere die Grafik der Steinkohlelobby, dass Prognosen und Realität weit auseinanderklaffen. Im letzten IPCC-Bericht hingegen gibt es eine Grafik zum selben Thema, die zeigt, dass Szenarien und Realität sehr gut zusammenpassen.

Den Vorwurf einer Fälschung weist Riedel zurück. Die Grafik sei "auf Grundlage allgemein zugänglicher, akzeptierter Daten erstellt" worden, die "für jedermann nachprüfbar" sind. Ein flüchtiger Leser wird sich diese Mühe wohl kaum machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.