Tierschützer gegen Biobauern: Sexismus auf dem Bauernhof

Tierschützer demonstrieren auf der Nürnberger BioFach gegen Ökobauern. Denn bei der Eierproduktion werden Millionen von männlichen Küken getötet.

"Kein Hähnchenschreddern für Eier!" - der Slogan des Tierzuchtfonds. Bild: dpa

NÜRNBERG taz Katharina Reuter kämpft für die Männerquote - im Stall. Dahinter steckt ein "Massenmord", wie sie sagt, "an männlichen Küken". Sie fallen bei der Eierproduktion als Nebenprodukt an, das nicht zu verwenden ist. Reuter arbeitet für den Tierzuchtfonds, eine Initiative des Deutschen Tierschutzbundes, der ökologisch ausgerichteten Schweisfurth-Stiftung und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

Reuter hat dafür gesorgt, dass am Wochenende junge Tierschützer aus Bayern in gelbe Plüschkostüme geschlüpft sind, um ausgerechnet auf der Nürnberger BioFach dagegen zu protestieren, dass in Deutschland jedes Jahr 40 Millionen Küken "geschreddert und vergast" werden. Zwei Millionen davon gehen auf das Konto der Bioproduktion, sagt Reuter. Tierschützer gegen Biobauern - das hat es so noch nicht gegeben.

Das Problem ist, dass auch Ökobauern ihre Hühner von den weltweit operierenden Großzüchtern kaufen. Andere Rassen gibt es derzeit nicht in ausreichenden Mengen. Die konventionellen Firmen aber trimmen ihre Tiere auf Hochleistung. So liefert die eine Sorte Huhn Eier, die andere setzt schnell Fleisch an. Die Küken von Legehennen sind als Brathähnchen also ungeeignet - und Ausschuss.

Glücklich sind die Biobauern damit nicht. Maria Brummer-Bange hat einen Biohof im niedersächsischen Ankum. Zusammen mit ihrem Mann hält sie hundert Hühner. Sie würde die mageren Brüder der Hennen sogar nehmen, aber sie sagt: "Die isst später keiner." Der Geschmack sei schlecht.

Sie tötet die männlichen Küken nicht selbst. Wie die meisten Biobauern lässt sich Brummer-Bange ihre Hühner liefern, wenn sie rund 20 Wochen alt und legefähig sind. Die männlichen Sprösslinge werden in den wenigen Fabriken rausgeworfen, die für die großen Züchter die Industriehennen ausbrüten.

Diese engagieren Chicken-Sexer, Fachkräfte, die am Fließband die frisch geschlüpften Männchen erkennen und in den Kükenmuser schieben, eine mit Messern besetzte Walze unter dem Band. Dort werden sie geschreddert. Manche Tiere werden auch vergast. Brummer-Bange sieht nur einen Ausweg: "Wir brauchen ein Zweinutzungshuhn", ein Huhn, das wieder Fleisch und Eier liefert.

Für die artgerechte Haltung fehlen die passenden Rassen, nicht nur im Hühnerstall. Auf der BioFach haben Händler und Bauern darüber diskutiert. Das Problem ist offensichtlich, spätestens seit es vor wenigen Wochen den Skandal um Bioputen gab. Berthold Franzsander, einer der größten Biogeflügelhändler der Republik, hatte seine Tiere mit konventionellem Futter gepäppelt. Ökofutter reicht den Tieren oft nicht.

Anders als bei den Gemüsebauern, die schon spezielle Ökosorten ziehen, gibt es bisher kaum eine Bionutztierzucht. Sie ist nicht einfach. Versuche gebe es schon, meint Agrarökonomin Reuter, "aber ohne großes Ergebnis". Und der Tierschutzfonds könne zwar jedes Jahr 25.000 Euro zur Verfügung stellen. Das reiche aber nicht.

Franz-Theo Gottwald von der Schweisfurth-Stiftung forderte daher: "Die Ökobranche hat in den letzten Jahren viel Geld verdient, davon muss jetzt ein Teil in die Tierzucht fließen." Der deutsche Biomarkt wächst schon seit einigen Jahren zweistellig. Die Branche feierte sich in Nürnberg selbst, hat aber auch verstanden. "Bio ist immer die bessere Alternative", sagte Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft - und trotzdem gebe es noch einiges zu tun.

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