Staatskonzern bespitzelt Umweltorganisation: Greenpeace im Visier der Atomlobby

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den französischen Energiekonzern EDF. Mitarbeiter sollen eine Bespitzelung von Greenpeace in Auftrag gegeben haben.

Atomkraftwerk in Flamanville, in der Normandie: Der französische Staatskonzern Electricite de France (EDF) ist weltweit der größte Atomstromproduzent. Bild: ap

PARIS taz Der franzöische Atomkonzern EDF ist offenbar mit illegalen Mitteln gegen seine Kritiker vorgegangen. Gegen zwei Mitarbeiter des staatlichen Unternehmens wird wegen Verdachts auf Spionage ermittelt. Ihnen wird vorgeworfen, illegal in Computer der Umweltorganisation Greenpeace eingedrungen zu sein und Daten ausspioniert zu haben. Eine EDF-Sprecherin bestätigte, dass ein Verfahren in Gang sei und es eine Durchsuchung bei EDF gegegen habe. Greenpeace äußerte sich erschüttert über den Vorfall und will als Nebenkläger gegen den Konzern auftreten.

Bekanntgeworden war die Bespitzelungsaffäre eher durch Zufall. Die Wochenzeitung Le Canard Enchaîné war im Zusammenhang mit der elektronischen Spionage beim nationalen Antidopingzentrum darauf gestoßen, dass es noch weitere Opfer solcher professioneller Schnüffler gab: Auch die Computer des ehemaligen Greenpeace-Kampagnenleiters Yannick Jadot seien von Unbekannten ausspioniert worden. Speziell brisant ist die Sache, weil Jadot bei den Europawahlen für die Umweltliste "Europe Ecologie" von José Bové und Daniel Cohn-Bendit kandidiert.

Der Verdacht richtete sich schnell gegen den französischen Energieriesen EDF, denn die Aktionen von Greenpeace gegen die staatliche Atomkraft, vor allem den Transport von mit Plutonium angereicherten Brennstäben und den Bau eines neuen Reaktors in Flamanville, waren der Atomlobby schon lange ein Dorn im Auge. Der vom ehemaligen Le-Monde-Chef Edwy Plenel gegründete Internet-Informationsdienst Médiapart fand heraus, dass gegen zwei Verantwortliche für Sicherheitsfragen bei EDF wegen Beihilfe zum Eindringen in Datensysteme ermittelt wird. Bereits im Februar seien deswegen auch Büros am Geschäftssitz von EDF durchsucht worden. Als Hacker soll der Konzern laut Médiapart eine auf Beschaffung von Firmenangaben und Risikoeinschätzung spezialisierte Firma namens Kargus Consulting engagiert haben. Diese weist alle Vorwürfe zurück und belastet einen ihrer Angestellten, einen Informatikspezialisten, der angeblich "weiter gegangen ist, als dies vereinbart war". Der betreffende Angestellte ist auch der einzige unter den Beschuldigten und Verdächtigten, der die Vorwürfe nicht rundweg abstreitet.

Der Chef von Greenpeace Frankreich, Pascal Husting, zeigte sich entsetzt, dass die Organisation "wie Terroristen behandelt" werde. Dies zeige deutlich, "wie schlecht die Atomindustrie Transparenz und eine demokratische Diskussion verträgt". Die Ausrede des Unternehmens überzeugt ihn nicht: "Diese Geschichte vom übereifrigen Informatiker ist natürlich im Bereich des Möglichen, würde mich aber doch sehr erstaunen." Eher vermutet er, dass die Greenpeace-Büros sogar systematisch bespitzelt wurden. EDF sei "klar darin verwickelt". Das Unternehmen hingegen bestreitet nicht nur, der Auftraggeber der Schnüffelaktion zu sein, sondern sieht sich sogar als "Opfer" von Machenschaften, die dem Konzern einen Imageschaden zufügen könnten, für den die EDF-Anwälte vorsorglich mit einer Klage Wiedergutmachung fordern.

Frankreichs Umweltminister Jean-Louis Borloo zeigte sich alarmiert über die Vorwürfe. "Wenn die Anschuldigungen stimmen sollten, in was für einer Welt leben wir dann?", fragte er am Mittwoch im Sender France-Info. Auch der französische Staat hat allerdings Erfahrung mit illegalen Aktionen gegen Greenpeace: 1985 ließ die Regierung das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" wegen Protesten gegen Atomwaffentests versenken und machte sich dabei am Tod eines Fotografen schuldig.

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