Konzerne durften Atommüll „kostenminimal“ entsorgen

ASSE Sicherheitsstandards wurden auf Druck der AKW-Betreiber gesenkt. Das zeigen Aktenfunde

HANNOVER taz | Im mittlerweile einsturzgefährdeten Atommülllager Asse wurden auf Druck der AKW-Betreiber in den Siebzigerjahren Sicherheitsstandards für die Deponierung von Strahlenmüll abgesenkt. Dies belegt ein Schriftwechsel zwischen Stromkonzernen, dem damaligen Asse-Betreiber GSF und dem Bundesinnenministerium, den die Umweltorganisation Greenpeace im Bundesarchiv aufgestöbert hat. Die Dokumente aus den Jahren 1974 und 1975 zeigen auch, wie die Atomstromer das angebliche „Versuchsendlager“ als billige Deponie für ihren atomaren Abfall nutzten.

Unter Führung von RWE verfassten die Betreiber im Dezember 1974 ein Memorandum für die „Beseitigung radioaktiver Rückstände aus Kernkraftwerken“. Darin äußerten sie für die Atommülllagerung in der Asse den „Wunsch nach kostenminimalen und ökonomischen Lösungen“. Vor allem sollte die pro eingelagertes Fass erlaubte Strahlendosis um den Faktor fünf erhöht werden.

Ein halbes Jahr später wurde das Bundesinnenministerium in die Gespräche zwischen Stromkonzernen und Asse-Betreiber einbezogen. Ab Dezember 1975 durfte dann in den zur Asse gelieferten Fässern fünfmal mehr Radioaktivität enthalten sein als bis dahin erlaubt.

Damit lösten die AKW-Betreiber noch kurz vor Toresschluss vorerst ihr Entsorgungsproblem. Im September 1976 trat die Entsorgungsnovelle des Atomgesetzes in Kraft, die für Atommüllendlager ein Planfeststellungsverfahren verlangte. Weil das heute einsturzgefährdete Bergwerk nach neuem Recht nicht genehmigungsfähig war, wurde die Einlagerung in der Asse 1978 eingestellt. JÜRGEN VOGES