Ökosysteme in Gefahr: Blinde Passagiere schädigen Gewässer

Tausende Meereslebewesen reisen im Ballastwasser von Schiffen rund um die Welt. In fremden Ökosystemen richten sie Schäden in Milliardenhöhe an, berichtet die Umweltstiftung WWF.

Kurz vor der Ausrottung? Der Karpfen. Bild: ap

HAMBURG taz | Einen ökonomischen Schaden von bis zu 36 Milliarden Euro haben tierische Globetrotter weltweit seit 2004 angerichtet. Das hat die Umweltstiftung WWF in einer am Montag veröffentlichten Studie berechnet. "Diese stille Invasion muss gestoppt werden", fordert WWF-Fischereiexpertin Karoline Schacht. Die Eindringlinge setzten nicht nur vielerorts das ökologische Gleichgewicht außer Kraft, sondern schädigten auch Fischerei, Wasserversorger und Hafenbetreiber.

Die Tiere werden meist als Larven oder Eier in die Ballasttanks der Schiffe aufgesogen. Dadurch werden leere oder halbvolle Fahrzeuge stabilisiert. Mit dem Ballastwasser lassen die Schiffe die Tierchen wieder frei, wo immer sie gerade sind.

Einer der aggressivsten blinden Passagiere ist die nordamerikanische Rippenqualle. Im Schwarzen Meer hat sie Sardellen und Sprotten fast ausgerottet, jetzt erobert sie das Mittelmeer. Auch in Nord- und Ostsee wurde sie bereits gesichtet. In Ermangelung natürlicher Feinde sind Ökosysteme den Eindringlingen schutzlos ausgeliefert.

Unbehagen verbreitet auch die Schwebegarnele. Riesige Schwärme mit Millionen von Einzeltieren haben von Rotterdam aus den Rhein erobert und dringen sogar über den Rheinfall bei Schaffhausen hinaus in den Bodensee vor. "Wir wissen noch nicht ganz exakt, welche Folgen das hat", räumt WWF-Pressesprecher Roland Gramling ein. Aber weil die Garnelen sich von Algen und Plankton ernähren, sei zu befürchten, dass Süßwasserfische wie Karpfen von den neuen Nahrungskonkurrenten ausgehungert werden könnten.

In nur zwei Jahren haben die Red Mysid Shrimps auch vom St.-Lorenz-Strom aus vier der fünf großen nordamerikanischen Seen erobert. Und auch der letzte in der Reihe, der Lake Superior, ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Eine 2005 vorgelegte Konvention der UN-Weltschifffahrtsorganisation IMO haben bislang nur 18 Staaten unterzeichnet, darunter nur Liberia als große Schifffahrtsnation. Die Konvention sieht vor, dass Ballastwasser gefiltert und gereinigt werden muss, um eine Verschleppung zu verhindern. "Die Technik ist vorhanden", sagt Schacht.

Das bestätigt im Grundsatz der Verband Deutscher Reeder (VDR). "Wir sind in diesem Jahr einen Riesenschritt weiter gekommen", berichtet VDR-Sprecher Max Johns. Die Ratifizierung der Ballastwasser-Konvention auch durch Deutschland stehe in naher Zukunft an. Mehrere technische Verfahren, darunter ein Zentrifugensystem, das Sedimente aus dem Wasser aussondert, seien jüngst zugelassen worden. Durchgeschlüpfte Kleinstlebewesen werden mit Chemikalien oder auch Mikrowellen abgetötet. Derzeit informiere der Verband seine Mitglieder über die Einsatzmöglichkeiten. "Wir gehen davon aus", sagt Johns, "dass alle das einbauen."

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