Skepsis trotz 7,9 Prozent Wachstum

KONJUNKTUR China überrascht in der weltweiten Rezession mit positiven Zahlen. Doch die sind überwiegend vom Konjunkturpaket verursacht. Binnennachfrage und Export schwächeln weiter

PEKING taz | China könnte jubeln oder zumindest aufatmen – aber es präsentiert seine Wachstumszahlen nüchtern: Einige knappe Zahlenfolien als fünfte Meldung sind den Abendnachrichten des Staatsfernsehens die Anzeichen der Krisenerholung wert: Um 7,9 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen.

Schon auf der Pressekonferenz am Donnerstag war Li Xiaochao vom Nationalen Statistikamt um Zurückhaltung bemüht. „Wir verspüren noch viel Druck“, sagte Li. Die wirtschaftliche Erholung sei „unausgeglichen“ und es gebe weiterhin „verletzliche Faktoren“. Chinesische Analysten sind schnell, diese minutiös als strukturelle Schwächen aufzuzeigen. „Investitionen als einziger Motor haben zu dieser starken Erholung geführt“, meint Shen Minggao, Ökonomen an der Peking-Universität, in einer Kolumne. Mit 33 Prozent Zuwachs bei den fixen Anlagen im zweiten Quartal macht sich vor allem das im Herbst aufgelegte chinesische Konjunkturprogramm von rund 585 Milliarden US-Dollar bemerkbar. Dazu betreibt Peking Wachstumspolitik auf Pump: Umgerechnet 740 Milliarden Euro Kredite haben die Banken in den ersten sechs Monaten vergeben – eine Verdoppelung zum Volumen des ganzen letzten Jahres. Von beiden profitiert jedoch die Privatwirtschaft wenig: 40 Prozent der Unternehmer sind laut Akademie für Sozialwissenschaften pleite, weitere 40 Prozent kämpfen ums Überleben.

Die 7,9 Prozent Wachstum liegen knapp unter der 8-Prozent-Marke, die China nach eigenen Angaben braucht, um soziale Unruhen zu verhindern.

Ob der Zuwachs der Industrie mit rund 11 Prozent im Juni ausreichend ist, wird „man weiter diskutieren müssen“, so Shen. Fest stehe, dass das Wachstum der Immobilienpreise mit rund 16,6 Prozent im ersten Halbjahr weniger auf arbeitsplatzschaffende, sondern eher auf spekulative Wachstumsaktivitäten hindeute. Die angepeilte Ausweitung des Binnenkonsums als Motor der Erholung ist noch nicht gelungen: Der Konsum trug mit 3,2 Prozent nur halb so viel zum Quartalswachstum bei wie Investitionen.

Am stärksten schwächelt weiterhin der einstige Wachstumsmotor Chinas, der Export. Vielleicht haben deshalb die Nachrichten nicht das Wachstum, sondern Chinas Planungen zur Weltausstellung Expo zum Top-Thema gemacht. „Mit der Expo wird China einen Beitrag zur Überwindung der internationalen Finanzkrise leisten“, sagte der Sprecher. Peking weiß sehr wohl, wie fragil das eigene Wachstum bei schwacher Binnenstruktur und globaler Konjunktur ist. KRISTIN KUPFER