Kritik an EU-Emissionshandel

KLIMAGASE Die Wirtschaft habe zu viele Verschmutzungsrechte, klagen Umweltschützer. Jetzt fielen die Preise, und Firmen hätten keinen Anreiz, CO2-Ausstoß zu reduzieren

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Der europäische Handel mit Rechten zum Ausstoß des Treibhausgases CO2 ist in seiner jetzigen Form ein Flop. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der britischen Klimaschutzorganisation Sandbag, die am Montag in Brüssel veröffentlicht wurde. Demnach werden die in das System einbezogenen Industriezweige für die Jahre 2008 bis 2012 Zertifikate für 400 Millionen Tonnen CO2 übrig haben – nicht zuletzt wegen der gedrosselten Produktion in der Wirtschaftskrise. Die nicht verbrauchten Zertifikate können sie entweder weiterverkaufen oder für die nächste Phase des Emissionshandels aufheben. Beides führt dazu, dass der Preis verfällt und kein Anreiz geschaffen wird, in CO2-arme Herstellungsmethoden zu investieren.

Die Autoren der Studie sehen das Hauptproblem darin, dass von Anfang an zu viele Verschmutzungsrechte ausgegeben wurden. Im jüngsten UN-Klimabericht wird gefordert, dass die CO2-Emissionen um jährlich 3 Prozent zurückgehen müssen, damit die Folgen des Temperaturanstiegs beherrschbar bleiben. Doch die Zuteilungen für den EU-Emissionshandel wurden so berechnet, dass zwischen 2008 und 2012 der CO2-Ausstoß um insgesamt nur 6 Prozent zurückgeht – gemessen am Stand von 2005.

Besonders negativ schlägt die Zertifikat-Inflation bei den fünf größten Luftverpestern Deutschland, Großbritannien, Spanien, Polen und Italien zu Buche. Deutschland produzierte im vergangenen Jahr fast ein Viertel der insgesamt in der EU erzeugten Klimagase. Im Vergleich zu 2007 hätte es seine Emissionen um 16,2 Prozent reduzieren müssen, schaffte aber nur 4,9 Prozent.

Diese Einsparung ist nicht dem Emissionshandel zu verdanken, sondern hängt fast ausschließlich mit der Wirtschaftskrise zusammen. In der Industrie gingen vergangenes Jahr wegen sinkender Nachfrage die Emissionen um 1,7 Prozent zurück. Energieintensive Branchen wie Zement- oder Stahlfabriken behielten insgesamt Zertifikate für 27 Millionen Tonnen CO2 übrig. Die können sie an die Energieerzeuger verkaufen, die zu wenig Zertifikate haben. Bei einem Preis von 14 Euro pro Zertifikat wären das Einnahmen von 378 Millionen Euro, die letztlich die Energiekunden aufbringen müssen.

Die Autoren der Studie fürchten, dass dieses Desaster negative Folgen für die Klimaverhandlungen in Kopenhagen haben könnte. „Wenn die Konferenzteilnehmer sehen, dass es mit dem europäischen Klimahandel Probleme gibt, könnten sie entsprechende eigene Pläne aufgeben oder es ablehnen, ein weltweites Klimahandelssystem zu schaffen“, warnen sie. Wenn der Preis für CO2 in den Keller gehe, werde die Entwicklung neuer klimafreundlicher Technologien ausgebremst.

Die einzige Lösung sehen die Wissenschaftler darin, die überzähligen Zertifikate einzusammeln, entweder durch Selbstverpflichtung der Industrie oder durch steuerliche Anreize. In der nächsten Phase des Zertifikathandels müssten deutlich weniger Verschmutzungsrechte auf den Markt gebracht werden.