NANA HECK ALLEINLAGE
: Metawissenschaftliches Reinbeißen

Zu jeder Entscheidung gehört eine gehörige Portion Zweifel. Aber um rauszukriegen, ob eine Biopaprika besser schmeckt als eine konventionelle, muss man sich nur selber kennen

Anfang August meldete die taz: „Bioessen ist laut britischen Forschern nicht gesünder als konventionelles.“ Hier handelt es sich offenbar um eine jener Nachrichten, deren Gegenteil leicht zu beweisen wäre. Doch wer von uns VerbraucherInnen und ProduzentInnen schafft es denn, wissenschaftliche Untersuchungen in Gänze zu lesen, geschweige denn ihre Schwächen zu erkennen, sie gar zu widerlegen? Die taz hat es zum Glück getan.

Aber sonst glauben wir lieber denen, die am lautesten schreien, am häufigsten ihre Wahr- und Weisheiten mit Zahlen und „Fakten“ gespickt präsentieren und sich des für uns glaubwürdigsten Mediums bedienen.

Doch selbst Forscher sind nur Menschen. Und Studien berücksichtigen zudem bisweilen die Wünsche derjenigen, die sie in Auftrag geben. Beispiel gefällig? Rinder und Schafe zum Beispiel werden wegen ihrer Methanemission als klimaschädlich eingestuft. Doch niemand berücksichtigt die im ökologischen Landbau zur Kuh gehörende Grünland- oder Kleefläche, die große Mengen des zwölfmal schädlicheren Lachgases bindet und in Eiweiße umwandelt. Sind diese Paarhufer nun gut oder schlecht für die Ökobilanz? Offenbar eine Frage der Perspektive.

All denen, die weiter an die eigene Urteilskraft glauben, möchte ich meine sozusagen metawissenschaftliche Methode empfehlen. Man(n) und Frau gehe, gerne auch gemeinsam, hinaus in die Welt und nehme alle Sinne mit. Wer aus einem Mischwald heraus und in einen Maisacker hineintritt, spürt einfach, welche Art der Energiegewinnung besser ist – auch ohne zu wissen, dass die Fotoyntheseleistung des Waldes doppelt so hoch ist wie die von Mais. Von Wasserhaushalt und Artenvielfalt mal ganz zu schweigen.

Gleiches gilt für den Vergleich zwischen der stillen Insel Hiddensee und dem mallorquinischen Ballermann, zwischen der Fahrradtour und dem Tag im Stau. Jeder kann schmecken, wie das Biofleisch gegenüber jenem abschneidet, bei dem die Quantität weit vor der Qualität kommt. Und eine weit gereiste, mit Pestiziden behandelte Paprikaschote hat jener aus regionalem Ökoanbau genauso wenig entgegenzusetzen wie ein nach Chemie riechendes Teil vom Textildiscounter dem Stoff aus handwerklicher Produktion.

Wenn die KonsumentInnen nach diesem Testverfahren ihre Kaufentscheidungen treffen, dann ist die Welt noch zu retten. Auf diese Weise ist doch der Biolandbau entstanden – nicht durch gesetzliche Rahmenbedingungen oder politische Absichtserklärungen. Produzenten reagieren auf Nachfrage, so einfach ist das. Da schreibe ich aus eigener Erfahrung. Gleichwohl kann einem entschleunigten Ökofreak mit sauberer CO2-Bilanz fliegen Spaß machen; Zweifel gehören schließlich zu jeder ordentlichen Entscheidung. Noch ein Beispiel?

Manchmal fragen mich Besucher, ob ich mit meinem beschaulichen Landleben in Alleinlage glücklich bin oder mich nicht doch nach dem turbulenten Treiben der Großstadt sehne. Darauf kann ich nur dieselbe Antwort geben wie der Mann mit den zwei Penissen auf die Frage seines Schneiders, ob er Links- oder Rechtsträger sei. Ja!

■ Die Autorin ist Biobäuerin in Mecklenburg Foto: privat