Kritik um Gorleben: Wütender Atom-Briefwechsel

Das Kanzleramt greift Minister Gabriel an, der keilt zurück: Dass Gorleben "faktisch keine Realisierungschance" mehr habe, sei Folge des politischen Drucks der CDU.

Gegen manipulierte Gutachten kann auch die heilige Barbara im Schacht von Gorleben nicht helfen. Bild: ap

Es ist ein Briefwechsel der unerfreulichen Art: Am Mittwochabend hat Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) sich schriftlich bei seinem Kabinettskollegen Sigmar Gabriel (SPD) beschwert. Mit seiner Absage an den Standort Gorleben als Endlager für Atommüll habe der Umweltminister den "Grundkonsens" der großen Koalition verlassen. Dass das entscheidende Gutachten zur Eignung von Gorleben unter politischem Druck verändert worden sei, bezeichnete de Maizière als "unbegründete Fälschungsvorwürfe und unbewiesene Vermutungen".

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Am Donnerstagmorgen wies Gabriel die Kritik als "abenteuerlich und rein politisch motiviert" zurück. "Dieser politische Druck wird nicht von mir behauptet, sondern er ergibt sich aus den vorliegenden und auch Ihnen bekannten Dokumenten", heißt es im Brief ans Kanzleramt, der der taz vorliegt. Es sei eine Tatsache, dass "die damalige Bundesregierung offenbar Druck auf die wissenschaftlichen Experten ausgeübt hat, um Gorleben-kritische Ausführungen auszublenden".

Dieser politische Druck sei auch der Grund, warum Gorleben als Endlager nun "faktisch keine Realisierungschance mehr" habe. Durch die erwiesene politische Einflussnahme sei die Glaubwürdigkeit der Politik so erschüttert, dass die für die weitere Erkundung notwendige Übertragung der Salzrechte unvorstellbar sei. Eine Enteignung der Anlieger schloss das Umweltministerium aus. Nachdem ein beteiligter Wissenschaftler in der taz bereits im April berichtet hatte, dass es bei der Erstellung eines Gutachtens über die mögliche Eignung des Salzstocks Gorleben massiven politischen Druck gegeben habe, waren in dieser Woche Dokumente aufgetaucht, die das belegen.

In einem Telex an die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt hatte das Bundesforschungsministerium im Mai 1983 Änderungswünsche angemeldet, etwa, "den vermutlich hypothetischen Störfall des Wasser- und Laugenzutritts […] etwas weiter vom Zentrum der Betrachtung wegzurücken".

Im niedersächsischen Untersuchungsausschuss, der eigentlich die skandalösen Zustände im Endlager Asse zum Thema hat, wies der seinerzeit für Gorleben zuständige Spitzenbeamte des Forschungsministeriums, Manfred Popp, am Donnerstag eine Manipulation des Gutachtens zurück. Allerdings räumte er ein, das Telex habe zum Ziel gehabt, "unnötige politische Diskussionen zu vermeiden". Der damalige Forschungsminister Heinz Riesenhuber sagte dem Tagesspiegel, mit dem Schreiben seien lediglich "Anregungen über den Text eines Gutachtens ausgetauscht worden".

Die Grünen fordern als Konsequenz aus den neuen Erkenntnissen, einen Untersuchungsausschuss des Bundestags einzurichten. "Ich will jetzt wissen, was über all die Jahrzehnte von wem an Druck ausgeübt, von wem gefälscht worden ist und wer es wusste", sagte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast im WDR. Auch in der SPD gibt es Gedanken in diese Richtung. Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, forderte am Donnerstag, dass die Bundesregierung noch vor der Wahl einen Bericht erstellt, in dem die Vorgänge umfassend aufbereitet werden. Auf dieser Grundlage sollte dann der neue Bundestag über einen Gorleben-Untersuchungsausschuss entscheiden.

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