Island für Jahrzehnte verschuldet

FINANZKRISE Die Regierung einigt sich mit Großbritannien und den Niederlanden auf eine Zahlung der Einlagen bankrotter Banken. Die Opposition kritisiert „Erpressung“ durch EU

Island soll 4 Milliarden Euro an Großbritannien und die Niederlande zahlen

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLF

Die Regierung in Reykjavík hat sich mit London und Den Haag auf die Modalitäten der Schuldenrückzahlung der inzwischen verstaatlichten isländischen Banken geeinigt. Am Montag wurde ein Abkommen unterzeichnet, das Island für die nächsten zwei Jahrzehnte tief verschulden wird. Bis zum Jahre 2030 sollen die SteuerzahlerInnen der Atlantikinsel knapp 4 Milliarden Euro plus Zinsen an die Staatskassen Großbritanniens und der Niederlande zahlen. Das sind rund 13.300 Euro pro Kopf der 300.000 IsländerInnen.

Die Summe entspricht dem, was London und Den Haag aufgrund ihrer gesetzlichen Einlagegarantien den SparerInnen ersetzten, die sich durch hohe Zinsen locken ließen, ihr Geld auf den Konten von Icesave, einer Tochter der privaten Landsbanki, anzulegen. Als im vergangenen Herbst das globale Kartenhaus der Finanzspekulation zusammenfiel, ließ Reykjavík die Landsbanki nicht bankrottgehen, sondern verstaatlichte sie. Daraus leiten die Regierungen Großbritanniens und der Niederlande die Zahlungsverpflichtung der isländischen Staatskasse ab.

Der Streit über ein Abkommen über die Icesave-Schulden bedrohte monatelang den Bestand der seit April regierenden rot-grünen Koalition unter der Sozialdemokratin Jóhanna Siguršardóttir. Mehrere Abgeordnete des links-grünen Koalitionspartners sind mit der konservativen Opposition der Meinung, dass Island juristisch nicht verpflichtet ist, für die Spareinlagen in vollem Umfang zu haften. Unter anderem galten in Island wie in den meisten EU-Ländern staatliche Einlagegarantien von lediglich rund 20.000 Euro, als die Anlagen bei Icesave eingezahlt wurden.

Doch London und Den Haag machten zusammen mit anderen EU-Staaten Druck auf Reykjavík: Keine Einigung in ihrem Sinne – und Island könne einen EU-Beitritt vergessen. Erpressung ist dies für die Opposition und laut Umfragen auch für eine Mehrheit der Bevölkerung. Der links-grüne Gesundheitsminister Ögmundur Jónasson verließ die Regierung aus Protest gegen den Kuschkurs gegenüber der EU.

Großbritannien und die Niederlande bestehen nun zwar weiterhin auf Zahlungen, sie gewähren Island aber längere Fristen und akzeptierten eine Klausel, wonach das Abkommen umverhandelt werden kann, sollte sich ergeben, dass Island nicht zahlungspflichtig ist. Doch diese Klausel könnte wertlos sein, weil Reykjavík gleichzeitig kein Recht erhält, eine gerichtliche Prüfung einzuleiten.

„Inakzeptabel“ nennt das die Opposition. „Mehr war nicht drin“, betont hingegen die Ministerpräsidentin. Eine parlamentarische Mehrheit für das Icesave-Abkommen scheint sicher, allerdings für einen hohen politischen Preis. In der Bevölkerung herrscht Unmut, sie könnte die Sozialdemokraten bei den nächsten Wahlen strafen – und bei der Volksabstimmung über einen Beitritt zu der als erpresserisch empfundenen EU mit Nein stimmen.