Klimaverhandlungen in Kopenhagen: Die Hoffnungen schwinden

Vier Wochen vor der Weltklimakonferenz scheint ein verbindliches Abkommen wenig wahrscheinlich: Das letzte Vorbereitungstreffen bringt kaum Fortschritte - auch weil das US-Klimagesetz stockt.

Der Schornstein eines Kohlekraftwerks in Chicago, im US-Bundesstaat Illinois. Bild: ap

BERLIN taz | Die USA haben auch in Barcelona das Verhandlungstempo bestimmt. Auf der letzten Vorbereitungskonferenz zum Klimaabkommen in Kopenhagen, das am Freitag zu Ende ging, forderte US-Delegationsleiter Jonathan Pershing von China, seine Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren. Man kann das gut verstehen: Vor wenigen Wochen in Bangkok hatte Pershing erstmals eine Verpflichtung der USA angeboten - bis 2050 minus 80 Prozent. Innenpolitisch tobt in den USA gleichzeitig der Kampf um ein Klimagesetz. Und weil nach wie vor Reduktionsverpflichtungen mit wirtschaftlicher Schrumpfung gleichgesetzt werden, wäre eine chinesische Reduktiosverpflichtung sehr hilfreich - für die Welt, die hegemonialen Interessen der USA und natürlich für die regierenden Demokraten.

China wies diese Forderung umgehend zurück. Historisch seien die Industriestaaten am Problem schuld, argumentiert der chinesische Delegationssprecher Yu Qingtai. Deshalb müssten die Industriestaaten Vorleistungen bringen, während in den Entwicklungsländern die Beendigung der Armut vor dem Klimazielen Priorität habe.

In Barcelona sollte es darum gehen, den immer noch weit über 100 Seiten starken Verhandlungstext eines Kopenhagen-Protokolls weiter zu straffen. Gelungen ist dies lediglich bei dem Problem der Entwaldung, wo nun zwei Optionen in Kopenhagen verhandelt werden. Nummer 1 ist von Norwegen eingebracht worden: ein Waldfonds, der aus Teilen des Emissionshandels finanziert werden soll und mit dem dann Wälder aufgekauft - statt gerodet - werden sollen. Zweite Option: Wald in den Kohlenstoffmarkt einzubeziehen. Dies würde bedeuten, dass sich etwa RWE oder Vattenfall Waldzertifikate kaufen könnten, um so weiterhin Strom in klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken erzeugen zu können, für die es sonst nicht genug Emissionszertifikate hätte.

Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien wollen auf dem Kopenhagener Klimagipfel Versprechen machen, aber sich nicht mit einem Abkommen binden lassen: China will die Kohlendioxid-Intensität bis 2010 um 20 Prozent mindern, Brasilien seine Entwaldungsrate bis 2018 deutlich drücken und Indien seinen Pro-Kopf-Ausstoß unter dem Niveau der Industrieländer halten.

Die Malediven und Costa Rica versprechen, bis 2019 beziehungsweise 2021 kohlendioxidneutral zu sein.

Bis 2020 will die EU 20 Prozent gegenüber 1990 reduzieren; beteiligen sich in Kopenhagen auch die anderen Industrieländer, ist die EU bereit, ihr Angebot verbindlich auf 30 Prozent zu erhöhen.

Norwegen hat sich zu minus 40 Prozent verpflichtet, Japan zu minus 25 Prozent. Australien erwägt neben einem offiziellen Reduktionsziel von 5 Prozent bis 2020 gegenüber 2000 eine Minderung um bis zu 25 Prozent. Die USA, nach China größter Kohlendioxidverschmutzer, stellen minus 80 Prozent bis 2050 in Aussicht.

Bei allen anderen strittigen Themen - Technologietransfer, Finanzhilfen für Entwicklungsländer, Reduktionsverpflichtungen - gab es in Barcelona keine Bewegung. Auch deshalb, weil sich andere Industriestaaten wie Kanada oder die EU hinter der US-Position wegduckten. "Bloß nicht bewegen, lautete die Devise", urteilt Karsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace, der die Verhandlungen verfolgte. Zeit ging in Barcelona auch deshalb verloren, weil über 40 afrikanische Staaten die Verhandlungen für einige Zeit lahmlegten - aus Protest dagegen, dass Angebote der Industriestaaten fehlen.

Damit schwinden die Chancen auf ein verbindliches Abkommen in Kopenhagen. John Kerry, Leiter des US-Senatsausschusses für Auswärtiges, erklärte laut Guardian: "Wir müssen ehrlich mit dem Prozess sein und mit der Tatsache umgehen, dass wir in den verbleibenden vier Wochen keine Zeit mehr haben, jedes Detail im Vertragstext zu klären". Sprich: Es wird keinen Kioto-II-Vertrag als Ergebnis von Kopenhagen geben.

Eine Einschätzung, die EU-Umweltdirektor Karl Falkenberg teilt: "Konkrete Abkommen müssen vermutlich nach dem Treffen in Kopenhagen ausformuliert werden", erklärte der EU-Chefunterhändler. Und Greenpeace-Mann Smid urteilt: "Die Verhandlungen stecken in der tiefsten Krise seit Jahren." Es werde überhaupt nicht mehr über den Plan A verhandelt, in Kopenhagen ein rechtsverbindliches Klimaprotokoll zu verabschieden. "Hier in Barcelona ging es nur noch um Plan D, E oder F."

Schuld seien die Industrieländer, deren Reduktionsangebote nicht einmal die Hälfte dessen liefern, was die Wissenschaft fordert, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Tatsächlich ist es im Interesse der USA, in Kopenhagen nur eine politische Absichtserklärung zu unterschreiben und die Instrumente, mit denen die Weltemissionen neu verteilt werden, zunächst auszuklammern. Dann nämlich, so das Kalkül von Kerry und Co., würden die Chancen steigen, das eigene Klimagesetz durchzubekommen. Am Donnerstag jedenfalls hat Obamas Klimagesetz im amerikanischen Senat die erste Hürde genommen: Der Umweltausschuss stimmte für das Paragrafenwerk.

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