Eine Frage der Priorität: Umwelt oder Jobs?

ABFALLSTOFFE Der Düngemittelkonzern K+S weiß nicht, wohin mit seinen Abwässern. Teilnehmer eines runden Tischs liebäugeln mit einer gigantischen Pipeline, die das Salzwasser in die Nordsee leiten soll

FRANKFURT/M. rtr | Umweltschutz oder Arbeitsplätze? Sauberes Wasser oder Profit und Steuereinnahmen? Bei der Diskussion über die Entsorgung seiner salzigen Abwässer steht der Kasseler Düngemittelhersteller K+S im Mittelpunkt eines klassischen Zielkonflikts. Am heutigen Dienstag will ein Expertengremium eine Empfehlung für die Lösung des Problems vorlegen. Im Gespräch sind eine gigantische Pipeline, die das Salzwasser aus dem hessisch-thüringischen Revier bis in die Nordsee leiten soll, aber auch produktionstechnische Auflagen.

In der Mittelgebirgsregion wird seit mehr als hundert Jahren Kali abgebaut, ein wichtiger Bestandteil von Dünger. Bei der Produktion entstehen salzige Abwässer, die in Flüsse geleitet oder in den Boden gepumpt werden. Feste Abfallprodukte werden auf riesigen Deponien angehäuft.

K+S hat angekündigt, die Menge des Salzwassers durch neue Technologien bis 2015 von derzeit 12 auf 7 Millionen Kubikmeter zu senken. Was danach passieren soll, darüber berät seit rund zwei Jahren ein runder Tisch mit Naturschützern, Gewerkschaftern sowie Vertretern von K+S, Kommunen und Bundesländern. Vieles deutet darauf hin, dass dieses Gremium nun mehrheitlich den Bau einer hunderte Kilometer langen Pipeline empfehlen wird, durch die das Salzwasser direkt in die Nordsee fließen könnte.

Für K+S wäre ein solches Projekt, das rund 500 Millionen Euro kosten würde, ein finanzieller Kraftakt. Als Ende Januar Gerüchte kursierten, die Pipeline sei bereits beschlossen, gingen die im DAX notierten K+S-Aktien kurzzeitig auf Talfahrt.

Die meisten Experten halten den Bau jedoch für eine „sehr unrealistische Variante“. Eine „Pipeline müsste mehrere Bundesländer passieren, zahlreiche Genehmigungen wären nötig“, sagt Analyst Heinz Müller von der DZ Bank. Der Landtag in Niedersachen hat sich bereits vorab dagegen ausgesprochen. Aus Nordrhein-Westfahlen und Bremen sind ähnliche Reaktionen zu erwarten. So dürfte die Entscheidung über die Auflagen für K+S letztlich an den Behörden in Hessen hängen bleiben.

Analyst Müller geht nicht davon aus, dass die Auflagen für K+S so hart sein werden, dass der Konzern die Kaliförderung drosseln oder ganz einstellen muss. „Das oberste Ziel wird sein, die Produktion aufrechtzuerhalten. Schließlich garantiert K+S in der strukturschwachen Region zahlreiche Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.“ Allein bei K+S geht es um rund 5.000 Jobs.