BERNHARD PÖTTERRETTUNG DER WELT
: Nullenergiehaus? Null Chance!

Deutschland wäre gern Weltmeister beim Klimaschutz. Aber wer in der Hauptstadt eine energieeffiziente Bleibe sucht, der verzweifelt schnell am fehlenden Angebot. Am Platzmangel kann es eigentlich nicht liegen

Im Sommer ziehen wir zurück nach Berlin. Damit steht eine der wichtigsten Ökoentscheidungen des Familienlebens an: wo wohnen? Für mich ist klar: in Haus/Wohnung mit praktisch null CO2-Emissionen. Für unsere Kinder ist noch klarer: Im freistehenden Haus wegen ihrer Schallemissionen. Und meine Frau will „trotz des ganzen Ökokrams eine schöne Wohnung“.

Wir sind also typische Konsumenten mit grünem Bewusstsein, schwarzen Komfortansprüchen und bunten Alltagszwängen. Erschütternd aber ist, dass es in Berlin kaum ein Angebot an ökologischem Wohnraum gibt. Wer in der Klimaschutz-Hauptstadt der Welt eine Bleibe sucht, findet die Wannseevilla mit Wunderwanne, die Eigentumswohnungen mit Sauna oder Townhäuser mit Spreeblick. Aber Nullenergiehäuser? Ham wa nich.

Zugegeben: Es gibt tapfere Baugruppen, die so energiesparend bauen wie möglich. Und die Bundesregierung investiert klug in die energetische Sanierung von Altbauten, denn 70 Prozent des Energiebedarfs eines Haushalts gehen durch den Schornstein und finanzieren so das Imperium von Wladimir Gasputin. Ein Fünftel des deutschen CO2-Ausstoßes kommt aus Gebäuden. Aber wenn wir und die anderen Okay-Verdiener mit Kindern möglichst schnell und bequem unser Vermögen in ein gemütliches, modernes Nullenergiehaus im Herzen von Berlin investieren wollen, ist der Ofen aus. Kein Platz in der Hauptstadt? Dass ich nicht lache: Auf dem endlich geschlossenen Flughafen Tempelhof in der City gibt es gefühlte drei Milliarden Hektar Brachland.

Wo ist die legendäre Berliner Baumafia, wenn man sie mal braucht? Fragt man, warum es in Tempelhof keine Mustersiedlung von Passivhäusern gibt, erntet man hysterisches Lachen. Vielleicht in ein paar Jahrzehnten, heißt es. Wer bis dahin die deutschen Leistungen in Gebäudetechnik sehen will, wird nach Freiburg geschickt. Statt einer nationalen Leistungsschau für Ökowohnen präsentiert sich die deutsche Hauptstadt lieber arm und sexy: arm an Ideen und mit heruntergelassenen Hosen.

Der Autor ist Journalist und Öko-Obdachsuchender Foto: privat