Lieber Erdöl als Artenreichtum

GUATEMALA Die Regierung lässt eine französische Firma im Urwald Öl fördern und geht damit einen anderen Weg als Ecuador. Bundestagsabgeordnete setzen sich für Fonds ein

Die Entscheidung Coloms wird nicht nur von Umwelt- verbänden kritisiert

AUS SAN SALVADOR CECIBEL ROMERO

Der guatemaltekische Präsident Álvaro Colom lehnt es ab, seine wichtigste Biospäre zu schützen und damit auch noch Geld zu verdienen. Er hat der französischen Öl-Firma Perenco erlaubt, die Erdölreserven im Naturschutzgebiet Laguna del Tigre für weitere 15 Jahre auszubeuten. Eigentlich wäre die Lizenz in diesem Jahr ausgelaufen. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen außer der FDP hatte Colom in einem Brief vorher angeboten, sich für einen Fonds zur Erhaltung des Naturschutzgebiets einzusetzen, wenn er auf die weitere Erdölförderung verzichte. Das Entwicklungsprogramm der UN wollte Financiers für den Fonds suchen. Erst am Dienstag hatte die ecuadorianische Regierung einem solchen Modell zugestimmt. Dort soll mit den Geldern der Yasuni-Regenwald geschützt werden (taz, 4. 8. 2010).

Die „positive Entwicklung in Ecuador“ gebe auch der Parlamentsinitiative für Guatemala Auftrieb, sagt Frank Schwabe, klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Die Laguna del Tigre in Guatemala ist ein besonderer Ort: Sie ist mitten im Petén, einer Provinz der Größe Baden-Württembergs, in der das größte Regenwaldgebiet Mittelamerikas liegt. Dort stehen auch die wichtigsten Ruinenstädte der Maya-Kultur.

Der Petén ist weltweit das einzige Gebiet, das von der Unesco sowohl zum Weltkultur- als auch zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Das war 1989. Perenco förderte damals schon vier Jahre lang und hat irreparablen Schaden angerichtet, sagen Umweltschützer. „In diesem Land verhungern Menschen“, rechtfertigte Colom seine Entscheidung. „Es wäre Wahnsinn, wenn man sich diese Einnahmen entgehen lassen würde.“ Er hat mit Perenco ausgehandelt, dass der Staat statt bislang umgerechnet 65 Millionen Euro pro Jahr in Zukunft 117 Millionen Euro Abgaben bekommen solle. Ein Teil dieses Geldes soll in den Naturschutz gesteckt werden. Zudem werde sich Perenco am Bau von sechs Militärbasen beteiligen, von denen aus der illegale Holzeinschlag unterbunden werden soll.

Die Verlängerung der Lizenz stützt sich auf ein Sondergesetz, das erst im Jahr 2009 verabschiedet wurde. Kritiker behaupten, es sei ein reines Perenco-Gesetz. Im Energiegesetz heißt es eigentlich: „Lizenzen an Erdölfirmen können in keinem Fall für länger als 25 Jahre erteilt werden.“ Das Sondergesetz gibt der Verwaltung nun die Möglichkeit, diese Frist um 15 Jahre zu verlängern.

Die deutschen Bundestagsabgeordneten schlugen der guatemaltekischen Regierung ein Geschäft vor, wie es derzeit mit Ecuador für das Regenwald-Schutzgebiet Yasuni verhandelt wird. Auch dort liegen große Erdölreserven. Lässt das Land diese Ölfelder unangetastet und schützt stattdessen die Natur, soll sie sich für die entgangenen Einnahmen aus einem eigens dafür eingerichteten Fonds bedienen können. Deutschland will sich an diesem Fonds beteiligen.

In Guatemala wird Coloms Entscheidung nicht nur von Umweltverbänden kritisiert. Drei seiner zehn Minister haben sich dagegen ausgesprochen. Umweltminister Luis Ferraté hat seinen Rücktritt angeboten, den der Präsident jedoch abgelehnt hat. Verschiedene Universitäten halten das Sondergesetz für verfassungswidrig und wollen dagegen klagen. „Es ist peinlich“, sagt Rafael Maldonado, Koordinator des regierungsunabhängigen Zentrums für Rechtsschutz in Umwelt- und sozialen Fragen. „Ausländische Gremien wie der deutsche Bundestag klären unsere Regierung darüber auf, wie wichtig die Laguna del Tigre für die Region und für die Welt ist, aber unser Präsident ist ganz scharf darauf, sie zu zerstören.“