Coaching für Frauen: "Sie trauen sich nichts mehr zu"

Nach zwanzig Jahren wieder zurück in den Beruf? Das ist nicht einfach, aber es geht. Die Organisationsberaterin Anne Ebeling hilft Frauen dabei, neue Stärken zu entdecken.

Viele Frauen schulen nach einer langen beruflichen Auszeit um – und gehen häufig in Pflegeberufe. Bild: dpa

BGH-Urteil: Geschiedene Mütter müssen mit dem vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes arbeiten gehen, wenn es eine Kinderbetreuung gibt. Sie können seltener auf Unterhalt vom Exmann hoffen.

Beratung: Die Koordinierungsstelle Frau und Beruf in Niedersachsen bietet das Coaching an. Ähnliche Kurse gibt es auch in anderen Bundesländern. (sis)

taz: Frau Ebeling, der Bundesgerichtshof hat erneut klargestellt, dass geschiedene Frauen nicht mehr in jedem Fall auf Unterhalt von ihrem Exmann hoffen können, sondern arbeiten müssen. Sie coachen Frauen, die nach einer langen Auszeit wieder in den Beruf zurückwollen. Wer kommt zu Ihnen?

Anne Ebeling: Mehr als die Hälfte der Frauen sind Akademikerinnen, die anderen sind gut ausgebildet, häufig in kaufmännischen Berufen. Schlecht qualifizierte Frauen kommen selten.

Mit welcher Motivation kommen die Frauen?

55, ist Arbeitswissenschaftlerin und selbstständige Organisationsberaterin in Hannover. Sie bietet Coachings für Frauen an, die wieder zurück auf den Arbeitsmarkt wollen.

Sie wollen prüfen, was überhaupt geht. Die zieht es nämlich gar nicht zurück in den erlernten Beruf. Viele sind so lange raus - bis zu zwanzig Jahre -, dass sie wenig Hoffnung haben, in ihren alten Job zurückzukönnen. Nicht wenige haben durch die Familienphase andere Interessen entwickelt und wollen jetzt etwas Soziales oder Kreatives machen.

Welche Probleme haben Frauen, die lange nicht erwerbstätig waren?

Ihnen fehlt häufig der technische und organisatorische Anschluss. Das Hauptproblem aber ist Mangel an Selbstwertgefühl; die Frauen trauen sich nichts mehr zu. Manche erleben das schon nach drei, vier Jahren.

Woran liegt das?

Für Hausarbeit und Kindererziehung gibt es kaum positive Rückmeldungen. Viele Frauen sind zwar ehrenamtlich tätig, sie gründen Elterninitiativen oder engagieren sich in der Kirche. Dort bekommen sie auch Bestätigung, aber sie müssen nichts beweisen.

Welche Chancen haben solche Frauen auf dem Arbeitsmarkt?

Je länger die Frauen aus dem Job sind, desto schwieriger wird es, vor allem wenn sie älter sind. Ab Mitte 40 ist es ja generell schwer auf dem Arbeitsmarkt. Wenn dann noch eine lange Auszeit dazukommt, wird es richtig kompliziert.

Was kann Ihr Coaching daran ändern?

Die Frauen erkennen alte Fähigkeiten wieder oder entdecken neue. Viele orientieren sich nach der Familienphase auf soziale Berufe, zum Beispiel in der Altenpflege.

Altenpflege ist eine Frauendomäne und schlecht bezahlt. Können Sie das unterstützen?

Ich mache keine Jobvorschläge, ich unterstütze die Frauen darin, zu sehen, wo ihre Stärken liegen. Erst neulich hatte ich wieder so einen Fall: Eine Kauffrau, die zwanzig Jahre raus war und früher nie etwas mit Computern zu tun hatte. Sie traut sich jetzt auch nicht zu, das nachzuholen. Also schwenkte sie um auf Altenpflege und macht dort jetzt eine Ausbildung.

Wie bauen Sie die Frauen auf?

Im Seminar arbeite ich mit der Methode der sogenannten Kollegialen Beratung. In der Gruppe werden Lösungen für die individuellen Probleme der Frauen entwickelt. Und sie bekommen Hausaufgaben auf, sie sollen beispielsweise ein Erfolgserlebnis aufschreiben. Das muss nichts aus dem Berufsleben, sondern kann eine Kleinigkeit sein.

Und so eine Kleinigkeit hilft weiter?

Ein Beispiel: Eine Frau bekommt eine verbrannte Pizza. Isst sie die und ärgert sich oder lässt sie sie zurückgehen? Wir analysieren gemeinsam, welche Stärken sie in einer solchen Situation bewiesen hat. Am Ende des Seminars hat jede Frau eine lange Liste mit Dingen, die sie gut kann. Eine andere Methode ist der Elevator Pitch, das Fahrstuhlprinzip: Die Frau lernt in kurzer Zeit, auf den Punkt zu bringen, wer sie ist, was sie kann und wo sie beruflich hinwill. Damit ist sie vorbereitet auf Gespräche mit potenziellen Arbeitgebern.

Das klappt?

Ja. Wir üben auch Networking. Die meisten Frauen müssen lernen, Leute über Netzwerke anzusprechen. Darin liegt eine große Chance, einen Job zu bekommen.

Wie sieht Ihre Erfolgsquote aus?

Schätzungsweise 40 Prozent der gecoachten Frauen bekommen einen Job. Darunter sind auch 400-Euro-Jobs.

Heißen Sie die gut?

Ich vermittle den Frauen, dass ein Mann keine Lebensversicherung und ein 400-Euro-Job keine Basis ist, um finanziell unabhängig zu sein. Wenn eine Frau aber einen solchen Job annimmt, dann ist das ihre Entscheidung und möglicherweise ein Einstieg.

Wie sieht es im Privatleben der Frauen aus: Ändert Ihr Coaching auch da etwas?

Manche Frauen berichten schon während des Seminars von Problemen zu Hause, weil sie jetzt nicht mehr nur für die Familie da sein wollen. Da bekommt der 18-jährige Sohn nicht mehr jeden Tag sein warmes Mittagessen und der Mann keine gebügelten Socken. Die Rollen innerhalb der Familie müssen neu verteilt werden. Das bietet allen Beteiligten neue Chancen, aber macht vielleicht auch Angst.

Was raten Sie Frauen, die eine Familie gründen und die ganze Problematik noch vor sich haben?

Ganz klar: am Ball zu bleiben und während der nicht allzu langen Elternzeit den Kontakt zur Firma zu halten.

Können auch Männer bei Ihnen etwas lernen?

Natürlich, ich coache auch Männer. Bei ihnen geht es in der Regel aber um eine berufliche Neuorientierung, wenn die Lust im Job nicht mehr da ist oder wenn Arbeitslosigkeit droht.

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