Zu viele Zertifikate verteilt: Schwere Mängel im Emissionshandel

Vor allem Stahlkonzerne profitieren von kostenlosen CO2-Zertifikaten. Der Emissionshandel ist laut BUND eine Gelddruckmaschine für die energieintensive Industrie.

Kein schöner Anblick: ein Industrieschlot in Duisburg. Bild: dpa

BERLIN taz | Schwerwiegende Mängel im europäischen Emissionshandel beklagen Umweltverbände und untermauern dies mit einer jetzt veröffentlichten Studie. Demnach haben energieintensive Unternehmen - vor allem aus der Stahlindustrie - zu viele Zertifikate kostenlos zugeteilt bekommen. Der Preis für das Recht, eine Tonne des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) auszustoßen, ist im November erstmals unter zehn Euro gesunken.

Die britische Umweltorganisation Sandbag hat hierzu ausgerechnet, wie viele Zertifikate einzelne energieintensive Unternehmen seit Beginn der aktuellen Handelsperiode 2008 erhalten haben, und diese mit den tatsächlich ausgestoßenen CO2-Mengen verglichen. Am meisten profitiert hat demnach der Stahlkonzern ThyssenKrupp - dieser hat Emissionszertifikate im Wert von 250 Millionen Euro zu viel erhalten. Auch der Zementproduzent Lhoist und Chemieunternehmen wie BASF gewinnen.

"Der Emissionshandel in seiner jetzigen Form ist eine Gelddruckmaschine für die energieintensive Industrie", erklärte hierzu Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Der Markt darf nicht weiter mit zu vielen CO2-Zertifikaten überschwemmt werden. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass künftig deutlich weniger Zertifikate verteilt werden."

Die Zertifikate, die Unternehmen in der jetzigen Phase des Emissionshandels (2008 bis 2012) nicht verbrauchen, können diese entweder verkaufen oder in die nächste Handelsperiode ab 2012 übernehmen. Der BUND und die Organisation Germanwatch fordern, ab 2013 deutlich weniger Zertifikate als geplant herauszugeben, um die überschüssigen Zertifikate zu kompensieren.

"Es ist an der Zeit, den Emissionshandel effizienter zu machen und Unternehmen deutlich mehr Anreize zu geben, ihren eigenen Energieverbrauch zu reduzieren. Dafür muss dringend das CO2-Minderungsziel der EU von 20 auf mindestens 30 Prozent bis 2020 angehoben werden", erklärt hierzu Jan Burck von Germanwatch.

Die Stahlindustrie weist die Vorwürfe der Umweltverbände zurück. "Die These der Sandbag-Studie, dass die Stahlindustrie mit Emissionsrechten überversorgt sei, ist falsch", erklärt hierzu ein Sprecher von ThyssenKrupp der Nachrichtenagentur dapd. Zwar habe es 2009 aufgrund der Wirtschaftskrise eine Überversorgung mit Zertifikaten gegeben, allerdings würde die Industrie diese in Zukunft dringend benötigen, so eine Sprecherin der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Ab 2013 erhalten Stahlwerke zwar immer noch kostenlose Zertifikate, die Menge orientiert sich jedoch nicht am tatsächlichen Ausstoß, sondern an Vergleichswerten. "Die Benchmarks sind so rigide, dass weltweit kein Stahlkonzern die Vorgaben erfüllen kann", heißt es hierzu vom Wirtschaftsverband Stahl.

Der Emissionshandel in der EU besteht seit 2005. Vor allem energieintensive Industrien bekamen CO2-Zertifikate bislang kostenlos, um deren internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden.

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