Keine Zeit fürs Klima

Anand Mahindra ist Unternehmer: Seine Firma repariert Computer. Zudem führt er in Delhi mehrere Restaurants. Wie soll er noch Zeit haben, an den Klimawandel zu denken? „In Indien passieren zu viele Dinge gleichzeitig. Die Lebensmittelpreise steigen gerade in zweistelligen Raten. Und dann die Unsicherheit wegen der weltweiten Wirtschaftskrise“, sagt Mahindra. Keine Minute bleibe da fürs Klima.

Seinem Bruder, der noch als Bauer im Bundesstaat Punjab arbeitet, ergeht es anders. Früher konnte er das Grundwasser für die Bewässerung seiner Reisfelder aus fünf bis zehn Meter Tiefe abschöpfen, heute muss er 150 Meter tief schürfen. „Jedes Jahr sinkt der Wasserspiegel tiefer“, sagt er – dadurch koste die Bewässerung viel mehr Strom. Doch sein jüngerer Bruder sagt: „Selber schuld! Warum baust du auch Reis an, der so viel Wasser braucht.“

Im schnelllebigen Indien mit seinen tausend ungelösten Alltagsproblemen – vor allem für die große Mehrheit der Inder, die unter der Armutsgrenze lebt – ist der Klimawandel kein Thema. „Die Klimadebatte ist in Indien nie angekommen“, sagt denn auch Praveen Donthi vom Monatsmagazin Caravan. Im Westen werde der Klimawandel ganz anders wahrgenommen als in Indien. „Im Grunde versteht hier keiner das Problem, mit Ausnahme von ein paar NGOs“, sagt er.

Nur 2009 fühlte sich das kurz anders an. Damals erlebte Indien eine große Trockenheit und hatte plötzlich mit Jairam Ramesh einen charismatischen Umweltminister, der das Land auf die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen einschwor. Zwei Jahre später ist davon nicht viel übrig geblieben – Durban ist kein Thema, die neue Umweltministerin eine Randfigur und die Trockenheit längst vergessen. GEORG BLUME