Grüner Daumen

PROGRAMME Das Smartphone enthält Schwermetalle und transportiert Bakterien. Es kann aber auch Sinnvolles: Fünf Apps wollen helfen. Ein Test

VON BEATE SCHEDER

1. Dolmetscherin

Bei all den Geschmacksverstärkern, Aromastoffen und E-Nummern im Kleingedruckten brummt einem der Schädel. Dieses ewige „Was ist denn nun drin?“ möchte man sich einfach nicht mehr fragen. Man fragt darum: eine App. „Codecheck“ nämlich. Sie will für Transparenz im Supermarkt sorgen.

Und? Kann sie’s? Erste Erkenntnis: Der Spaß will geübt sein. Damit die Kamera des Smartphones den Strichcode der Butter lesen kann, braucht man nämlich eine ruhige Hand. Wem für solche Zitterpartien die Geduld fehlt, der kann – aha! – auch die Butternummer darunter in die Suchmaske eingeben. Dann geht’s los: Die App gibt Auskunft über Nährwerte, listet gefährliche Inhaltsstoffe auf, nennt Umwelteigenschaften. Ganz nett. Auf den ersten Blick.

Denn besonders verständlich arbeitet Codecheck nicht. Es wimmelt vor Fachbegriffen und Chemiekauderwelsch. Bei der Butter warnt die App vor Gefahrenpotenzialen von Antioxidantien, Alkalien und Zitraten. Denn: „Bei Zufuhr größerer Mengen von E 330 vermag der Darm mehr Schwermetalle und Radionuklide aufzunehmen.“ Aha? Zumindest verrät die App, welche Inhaltsstoffe man besser noch mal nachschlägt. Überfrachtet.

2. Geschichtenerzählerin

Nachdem das Scannen jetzt schon leichter von der Hand geht, bietet „Ecoscan“, rein technisch, wenig neue Herausforderungen. Denn auch diese App übersetzt Butterbarcodes. Aber: Sie versteht nur ökologisch. Lediglich Bio- und Fairtrade-Produkte lassen sich entschlüsseln. Liest man den Barcode der Biobutter ein, wird deren „grüne Geschichte“ erzählt, also erklärt, was sie nachhaltig und damit qualitativ hochwertig macht. Jedenfalls lautet so die Vision der Ecoscan-Entwickler, einer Gruppe Aktivisten aus Freiburg.

Nehmen wir zur Abwechslung den Biojoghurt. Vor die Kamera halten, Strichcode anvisieren … und? Hm. Nicht viel. Mehr als das, was auf der Packung sowieso schon steht, spuckt Ecoscan nicht aus: Zutatenliste, Biozertifikat, Herstelleradresse. Die Lücken in der Datenbank müssten aber bald gefüllt werden, sobald sich die App bei Bioherstellern herumgesprochen hat. Außerdem soll eine Verknüpfung mit der Fairtrade-Datenbank folgen. Na dann. Hoffnungsvoll.

3. Zahlenmaschine

129 Liter Wasser werden in Deutschland pro Kopf und pro Tag verbraucht, in den Weltmeeren schwimmt sechsmal so viel Plastik wie Plankton, und ein Erwachsener benutzt täglich neun Körperpflegeprodukte mit insgesamt 126 Chemikalien.

Wissen dank App: Eine Menge Zahlen, die das Nachhaltigkeitsmagazin „Ecochallenge“ da präsentiert. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Ausgabe, zum Beispiel zum Thema Fleischkonsum oder Trinkwasser.

Eine kurze Einführung, ein fixer Fingertipp, schon überprüft man per Rechner, ob das eigene Verhalten ökologisch vertretbar ist: Wie hoch ist mein Erdölverbrauch durch Plastikgegenstände? Wie viel meines Essens kommt aus Übersee? Wer hier nicht betrügt, kommt schnell auf erschreckende Beträge. Gut so. Ist nämlich alles Teil der Vorbereitung – auf sogenannte Challenges. Zwei davon soll man schaffen in 14 Tagen. Wer etwa Glühbirnen gegen Energiesparlampen austauscht, hat eine Challenge gewonnen.

Okay, die Weltmeere rettet der Smartphonebesitzer nicht, wenn er auf seine „richtiger Fisch“-Challenge hört, für Freunde kocht und dabei den Thunfisch durch Makrelen ersetzt. Trotzdem: Diese App kann dem App-Anfänger bei den ersten Schritten ins bewusstere Leben helfen. Wegweisend.

4. Puristin

Sparsam, äußerst sparsam das alles. Inhalt statt Optik, dachte sich wohl das Grüppchen der Grünen Jugend, als es „iVeg“ entwickelte, eine Saisontabelle. Nach dem Start darf gewählt werden, ob Gemüse oder Obst – und voilà, kann man sich an einer Liste voller Sorten und Erntemonaten abarbeiten.

Abarbeiten ist das Stichwort. Muss diese Tabelle denn so nach Mathe aussehen? Die Bilder der heimischen Obst- und Gemüsesorten sind klein und unscharf. Es gibt keine Fotos, keine Videos, keine Audiodateien.

Zugegeben, die wichtigen Informationen sieht man auf einen Blick, ohne lang hin und her klicken zu müssen. Für den schnellen Einkauf im Supermarkt mag iVeg auch ausreichen. Wenn es aber etwas ausgefallener sein soll als Kopfsalat, Möhren oder Äpfel, stößt man bei nur 44 angegebenen Obst- und Gemüsesorten bald an die Grenzen. Schon Fenchel oder Trauben sucht man vergebens. Ausbaufähig.

5. Tutorin

Die Doraden sehen gut aus, aber ähm, öhm, wie war das noch gleich? Darf man die noch guten Gewissens kaufen? Allen, die an der Fischtheke grübeln, sollen die Fisch-Ratgeber von Greenpeace und World Wide Fund For Nature (WWF) eine Lösung bieten. Nicht mehr bloß als Papierbroschüre, auch als App.

Die WWF-Version begrüßt einen mit einer Ampel. Einfach „Gute Wahl“, „Zweite Wahl“ oder „Lieber nicht“ anklicken, um sich die jeweiligen Fischarten samt Angaben zu Fangart und -gebiet aufzählen zu lassen. Schneller geht’s mit der alphabetischen Fischliste unter der Ampel: „Dorade Royal Bio, Mittelmeer, Zucht“? Gute Wahl, verrät die App. Gekauft.

Gegencheck mit der Greenpeace-App: Auf der alphabetischen Liste ist die Dorade rot markiert, das kann nichts Gutes verheißen. „Grundsätzlich nicht vertretbar“, sagt Greenpeace, es sei denn, der Fisch stamme aus Aquakulturen aus traditioneller Haltung in Lagunen, zum Beispiel aus Griechenland oder der Türkei. Auch wenn sich WWF und Greenpeace nicht immer einig sind und am besten immer beide Apps befragt werden sollten: Nützlich.