PETER UNFRIED NEUE ÖKOS
: „Brauchst du Gras, Adorno?“

Ich konnte früher nie Marihuana rauchen. Es war schlimm. Meine Kinder sollen es einmal besser haben

Iiih“, sagte Penelope schnüffelnd: „Massentierhaltung!“ Tatsächlich: Wo eben noch ein leeres Nachbarschaftsrestaurant war, feierte nun ein sogenanntes Hühnerhaus Eröffnung. Es roch wie damals, als wir neben dem Kentucky Fried Chicken lebten.

„Schnell ins Haus, Pelo“, japste ich.

Wir rannten ins Treppenhaus. „Aaaah, Gras“, rief Penelope, „das ist doch gleich was ganz anderes.“ Jetzt schnüffelte ich. Tatsächlich. Und auch noch guter Stoff.

Ich muss zugeben, dass ich auch in dieser Sache superliberal bin, was leider zu einem Dissens mit der Koerziehungsberechtigten führt. Kaum hängt Penelope mal einen Nachmittag im Mauerpark ab, sorgt sich die Macht, dass sie als Drogenwrack zurückkehren könnte.

„Ach Gottchen“, sagte ich, als sie mal wieder im Wohnzimmer auf und ab tigerte, „denk doch dran, was wir weggeraucht haben, als wir jung waren.“

Die Macht schaute mich mit diesem Blick an, den ich so liebe, und knurrte: „Du? Wann soll das denn gewesen sein?“

„Na, immer wenn Pink Floyd lief.“

In Wahrheit war es so, dass ich nicht kiffen konnte. Weil ich keine Lungenzüge hinbekam. Es war schlimm. Immer dieser klare Kopf. Bier kam da nur bedingt gegen an. Und ich habe mir doch als Vater fest vorgenommen, dass es meinen Kindern einmal besser gehen soll. Aber jetzt war die Macht auch noch beim Meeting von „Engagierte Mütter gegen Drogen auf dem Schulhof“. Außer Autobahnen bauen muss man ja hier in Berlin alles selbst machen. Jedenfalls gelten manche Schulhöfe offenbar als echte Drogenhöllen.

Hm. Um auch mal Verantwortungsbewusstsein vorzutäuschen, rief ich die Kinder ran. „Wird bei euch in der Schule etwa Gras geraucht, Pelo?“, fragte ich.

„Ja, klar, jede Menge“, sagte sie fröhlich.

„Aber das sind doch sicher die Großen?“, fragte ich.

„Ja, klar, 9. Klasse. Und 8.“

Na, bitte: Penelope ist erst in der siebten.

Um ganz sicher zu gehen, stellte ich Adorno eine Falle. Er saß gerade am Wohnzimmertisch und rechnete 24 x 5/14, 11 x 13/4 und was man in der sechsten Klasse halt so ausrechnen muss.

„Ich muss mal schnell in den Görlitzer Park“, sagte ich, „soll ich dir Gras mitbringen?“

Adorno stutzte: „Ich dachte, Drogen nimmt man erst ab 14?“

„Ha“, sagte ich zur Macht, „das ist der Beweis: Sie sind drogenfrei.“

Jedenfalls bis nächsten Sommer.

■ Der Autor ist taz-Chefreporter Foto: Anja Weber