Ilse Aigners kleiner Hopser nach vorn

LANDWIRTSCHAFT Auf Einladung der CSU-Ministerin diskutieren Umweltschützer, Bauern und andere Gruppen über die künftige Agrarpolitik. Doch wichtige linke Verbände und kontroverse Themen fehlen

BERLIN taz | Agrarministerin Ilse Aigner sei eine Marionette des konservativen, von der Agrarindustrie beherrschten Deutschen Bauernverbands (DBV), sagen Umweltschützer und kritische Bauern. Jetzt versucht die CSU-Politikerin, diesen Eindruck zu widerlegen: Auf ihre Einladung sollen ab Dienstag Experten von rund 40 Landwirtschafts-, Umwelt- und anderer Organisationen über Agrarpolitik diskutieren. Auf dieser Grundlage will das Ministerium eine Charta für Landwirtschaft und Verbraucher erarbeiten, die eventuell auch auf Aigners Position einwirkt.

Doch der wohl einflussreichste Verband im linken Spektrum, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), fehlt in der Liste der eingeladenen Organisationen. Genauso wie die Entwicklungshilfeverbände Misereor und Oxfam sowie der größte deutsche Ökobauernverband, Bioland, und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), dessen Mitglieder 2008 einen Lieferstreik gegen Niedrigpreise organisierten. „Es fehlen auch wichtige Fragen auf der Liste der Themen, die diskutiert werden“, kritisiert AbL-Geschäftsführer Ulrich Jasper. Zum Beispiel Gentechnik und eine gerechtere Verteilung der Agrarsubventionen zwischen großen und kleinen Betrieben.

„Wenn ein Thema nicht auf der Liste steht, heißt das nicht, dass es nicht diskutiert werden kann“, antwortet ein Sprecher Aigners. Man habe sich darauf beschränkt, Dachverbände einzuladen. Dem Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen etwa gehörten ja auch Misereor und Oxfam an. Auf der Seite der Konservativen hat das Ministerium aber sowohl Dach- als auch Einzelverbände eingeladen: beispielsweise den DBV und dessen Mitglieder Raiffeisenverband, Landfrauenverband und Landjugend.

Der Milchbauernbund BDM, sagt Aigners Sprecher weiter, äußere sich vor allem zum Thema Milch. Das passe nicht zu den Themen aller vier geplanten Diskussionsrunden. In Wirklichkeit vertritt der BDM jedoch sehr wohl zu allen Punkten vehement seine Position: Umwelt, Tierhaltung und Ernährungssicherung.

DBV-Chef Gerd Sonnleitner zeigt sich trotz der für ihn günstigen Teilnehmer- und Themenauswahl in einem offenen Brief an Aigner besorgt, dass die Runde keine „realistische Debatte“ führen werde. Aber AbL-Mann Jasper ist sicher, dass der DBV hinter den Kulissen schon mit dem Ministerium abstimmt, dass die Charta nicht seine Interessen verletzt. JOST MAURIN