Außenministerposten für Asmussen

EUROPÄISCHE ZENTRALBANK EZB-Chef Draghi hat mit der Neuordnung der Spitze seine Unabhängigkeit unter Beweis gestellt, sagen Ökonomen. Perfekt ist sie deswegen noch nicht: So fehlt ein Makroökonom

BERLIN taz | Diese Personalie wurde in ganz Europa interessiert verfolgt: Wer wird Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB)? Denn dahinter stand die Frage, ob sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) durchsetzen kann. Sie hatte Jörg Asmussen nominiert, bis dahin Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Seit Dienstag ist klar: Die Kanzlerin ist unterlegen. Asmussen wird nicht Chefvolkswirt der Zentralbank. Stattdessen hat ihn EZB-Chef Mario Draghi zu einer Art „Außenminister“ bestellt. Asmussen wird Draghi zu allen wichtigen internationalen Treffen begleiten oder ihn dort vertreten. Zudem wird Asmussen die EZB-Rechtsabteilung leiten.

Dass Asmussen nicht zum Chefvolkswirt berufen wurde, „ist definitiv eine Niederlage für die Bundesregierung“, sagt Christoph Kaserer, Professor für Kapitalmärkte an der TU München. „Da muss man gar nicht drum herumreden: Das jetzige Ressort von Asmussen ist weniger bedeutend.“

Der renommierte Posten des EZB-Chefvolkswirts wurde stattdessen mit dem 62-jährigen Belgier Peter Praet besetzt. „Damit hat Draghi klargestellt und nach außen demonstriert, dass er unabhängig ist“, lobt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank.

Der neue Chefvolkswirt musste gesucht werden, weil der bisherige Amtsinhaber Jürgen Stark zugetreten war. Denn dieser konnte sich nicht damit abfinden, dass die EZB Staatsanleihen aufkauft, um die Zinsen für Italien oder Spanien zu drücken.

Kaum hatte Stark seinen Rücktritt angekündigt, begann auch schon der Streit über seine Nachfolge. Während die Bundesregierung Asmussen nominierte, schickte die französische Regierung Benoît Coeuré ins Rennen, der bisher Chefvolkswirt im Pariser Finanzministerium war. „Es war ungebührlich, dass Frankreich und Deutschland versucht haben, auf die Personalentscheidungen Einfluss zu nehmen“, kritisiert Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „Das widerspricht dem Geist des EZB-Vertrags, der die Unabhängigkeit der Zentralbank garantiert.“

Zudem brachte Asmussen nicht das richtige Profil mit, um als Chefökonom zu überzeugen: „Er war nie in einer Bank oder in wissenschaftlichen Einrichtungen tätig“, sagt Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin Finanzmärkte am DIW. Als EZB-Außenminister findet sie ihn viel besser besetzt: „Asmussen ist Pragmatiker und Diplomat.“ Indem Draghi jetzt den belgischen Währungsexperten Praet zum EZB-Chefvolkswirt ernannte, hat er den deutsch-französischen Konflikt ignoriert. Gleichzeitig brach Draghi mit einer Tradition: Praet ist der erste EZB-Chefvolkswirt, der nicht aus Deutschland stammt.

Auch für Coeuré wurde ein passender Posten gefunden: Der französische Finanzexperte übernimmt die Abteilung Marktoperationen, die unter anderem für den umstrittenen Ankauf von Staatsanleihen zuständig ist.

Allerdings werden alle Entscheidungen über die Geldpolitik gemeinsam gefällt – im EZB-Rat. Dort sitzen die Chefs der Euro-Notenbanken sowie die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums. Diesem Direktorium gehört Asmussen jetzt genauso an wie Coeuré, Praet und Draghi. Dort sitzen auch der portugiesische Vize-EZB-Chef Vítor Constâncio und der Spanier José Manuel Gonzáles-Páramo. Unctad-Chefökonom Heiner Flassbeck sieht allerdings ein Problem: „Im EZB-Direktorium gibt es keinen international bekannten Makroökonomen.“ ULRIKE HERRMANN

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